Castlevania: Lords of Shadow

Die Reise beginnt von Neuem

Test Guest getestet auf Xbox 360

„Castlevania“ ist bestimmt eine der traditionsreichsten und prestigeträchtigsten Serien, die je das Licht der Videospielwelt erblickt haben. Die Saga um die Vampir-, Untoten- und Lykanerjagd ist aber besonders in den letzten Jahren nur noch auf den Handhelds stark gewesen. Das letzte „Castlevania“ für eine Konsole erschien vor rund sieben Jahren für die PlayStation 2. Die Kritiken damals waren gemischt. Mit „Lords of Shadow“ will Konami die Serie neustarten. Ist es dem spanischen Entwicklerteam von MercurySteam gelungen, die Belmonts zu ehren?

Eines vorneweg: „Lords of Shadow“ hat nicht mehr viel mit dem alten „Castlevania“ zu tun. Es gibt keine Querverweise auf frühere Teile und ist gesamthaft losgelöst vom angetretenen Erbe. In diesem Sinne handelt es sich wirklich um einen waschechten Neustart. Serienfans mag das eventuell vor den Kopf stossen, aber auch Die-Hard-Fans sollen Gabriel Belmont und dem Orden des Lichts eine Chance geben, denn „Lords of Shadows“ ist ein echter Hit.

Zwischen Himmel und Hölle

Die „Castlevania“-Reihe hatte schon immer ein ziemlich eigenes Setting. Auch „Lords of Shadows“ spielt theoretisch zu Beginn des Hochmittelalters, rund 40 Jahre vor dem ersten Kreuzzug in einer Art Europa. Nur hat dieses Spiel nichts mit dem realen Europa im Mittelalter zu tun. Glaubenskonflikte sind nicht das Problem dieser Welt, jedenfalls nicht direkt. Hat Gott diese Welt verlassen? Das ist eine der Grundfragen, welche sich die Bewohner der „Castlevania“-Welt, insbesondere die „Brotherhood of Light“ stellt. Der Protagonist, Gabriel Belmont, träumt von seiner verstorbenen Frau, die ihm eine wichtige Mitteilung aus dem Jenseits überbringen will, welche die Welt erlösen könnte. So macht er sich auf die Reise, um mit den Toten sprechen zu können. Und um seine Frau zu rächen.

Die Reise, die ihr mit Gabriel antretet, ist eine, die ihr so schnell nicht vergessen werdet. Sie führt euch in die entlegensten Winkel der Welt. Anders als Kratos, der vorrangig durch die Unterwelt und den Olymp zieht, besucht ihr mit Gabriel friedliche Wälder, eine untergegangene Stadt, Sumpfgebiete, Untwelten. Und dabei trefft ihr immer wieder auf seltsame Charaktere, auf Figuren, die merkwürdig fremd und doch nah erscheinen.

An dieser Stelle kann man auch fragen: Wie wird die Geschichte von „Lords of Shadow“ erzählt? Denn besonders in den letzten Jahren hat sich die Art und Weise in einem Videospiel eine Geschichte zu erzählen, extrem verändert. Es gibt ein „Dragon Age“, welches mit vielen Worten und Details eine Welt zeichnet, es gibt aber auch ein „Enslaved“, dass die ganze Geschichte zwischen den Zeilen erzählt oder „Demon’s Souls“, das mit wenig Worten auskommt - dafür umso mehr Bildern. „Lords of Shadows“ gehört zur „Demon’s Souls“-Fraktion. Und dies in vielerlei Hinsicht.

Das neue „Castlevania“ braucht wenige Worte, um die Geschichte zu erzählen. Die von Schauspieler Patrick Stewart (Cpt. Jean-Luc Picard, Star Trek; Prof. Charles Xavier, X-Men) gelesenen Texte während der Levelwechsel sind weniger Storyteile, als viel mehr eine Introspektion in Gabriel und sein Vorhaben. Die wirkliche Geschichte findet in vergleichsweise raren Zwischensequenzen statt, und selbst dort bleiben jedes Mal viele Fragen offen. Aber es ist letztlich die wunderschöne Spielwelt, die sich selber erklärt, die die Umstände erklärt und die einem ganz selbstverständlich klar macht, mit welcher Art Spiritualität es man hier zu tun hat.
Wenn man durch die alten Ruinen der Stadt Agharta spaziert, durch die Wälder des Pans – dann hat man das Gefühl, diese Welt besser zu verstehen, als es Worte beschreiben könnten.
Insgesamt ist Gabriel dann aber doch ein etwas eindimensionaler Held, den man ruhig verletzlicher hätte gestalten können. Auch die Geschichte, die im Lauf des Spiels an Fahrt zunimmt, bleibt im Vergleich mit anderen Spielen eher seicht.

Eindrucksvolle Gemälde

Starre Kameras sind ja immer so eine Sache in Action-Adventures. Doch hier funktionieren sie erstaunlich gut. So gut, wie statische Kameras eben funktionieren können. Denn jedes Bild, wird euch vom Spiel vorgegeben. Und jedes dieser einzelnen Bilder wäre es würdig, an die Wand gehängt zu werden. Denn was MercurySteam hier an Kameraarbeit geleistet haben, grenzt an wirkliche Kunst. Die Welt ist zudem perfekt ausgeleuchtet und unglaublich lebendig. Hier huscht eine Maus über die kalten Steinplatten, dort fliegt ein Vogel und da wogt das Gras sachte im Wind. Man fühlt sich unvermindert an „Uncharted 2“ erinnert, besonders dann, wenn man das erste Mal im ersten Dschungel ist, der farblich so unglaublich kraftvoll und extrem plastisch rüberkommt, dass man geneigt ist, einfach minutenlang stehen zu bleiben und die beeindruckende Kulisse zu betrachten. Da gibt es aber wieder einen Nachteil mit der Kamera. Man kann sich eben nicht alles anschauen, sondern nur das, was die Kamera euch auch wirklich zeigen will.
Aber letztlich reicht das völlig, denn auch so kann man sich kaum an dieser Welt mit ihrer eindrucksvollen und gigantischen Architektur und den majestätischen Wäldern kaum satt sehen. Jeder einzelne Baum, jeder Stein wirkt handgemacht und nicht aus einem Editor importiert. Das hier ist eine künstlerisch erschaffene Welt, keine Baukasten-Playmobil-Welt.
Wenn ihr dann durch die Wasserfälle von Agharta marschiert und im Hintergrund das Wasser plätschern hört und leise eine wehklagende, melancholische Melodie die Luft erfüllt, heisst das nur: Hallo Gänsehaut. Seit „Demon’s Souls“ gab es kein Spiel mit einer solch speziellen und eigenen Atmosphäre mehr. Allgemein ist der Soundtrack von Komponist Óscar Araujo extrem stark, da er für jede Situation und jede Kamerafahrt ein passendes auditives Bild kreiert. Leider leidet die Framerate mitunter ziemlich. Besonders auf der PS3 muss man mit Slowdowns rechnen.

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