WRC: FIA World Rally Championship

Von Flummiautos und Tunnelblicken

Test Guest getestet auf PlayStation 3

Dass eine Lizenz ein Spiel nicht automatisch gut ist, dürfte längstens bekannt sein. Doch die Lizenzproblematik betraf bisher meist Filmversoftungen. Sportserien wie „FIFA“ oder das diesjährige „F1 2011“ haben gezeigt, dass Lizenzsportspiele durchaus in die Königsklasse der Games gehören können. Schafft das auch „WRC: FIA World Rally Championship“?

Als erstes sei gesagt: „WRC“ ist durchaus kein schlechtes Spiel, aber eben auch kein absoluter Toptitel. Schwache Rallytitel gibt es eigentlich sowieso selten, da dieses Genre so oder so noch eher zu den Nischenrennspielen gehört. Erst „DiRT“ hat es wohl richtig geschafft, die wirklich breite Masse anzusprechen.

Breites Lizenzpaket

Eine richtige Lizenz will natürlich auch ordentlich genutzt werden. Doch was gehört wirklich zum richtigen Ausnutzen einer Lizenz? Zu allererst, vor allem bei einem Rennspiel, die Fahrer, Autos und Strecken.
Und davon bietet „WRC“ genug. Alle Fahrerklassen sind enthalten, das heisst die bekannte WRC, die S-WRC, P-WRC und die J-WRC. Die Group B Cars sind zwar bereits im Menü enthalten, müssen aber über den Store beziehungsweise den Marktplatz erstanden werden.
Logischerweise enthalten alle Fahrerklassen auch alle Originalfahrer plus Co-Pilot sowie Originalautos. Damit dürft ihr in insgesamt 13 Rallyes in 13 Ländern über die Strecken brettern. Das sind insgesamt erstaunliche 78 Spezialetappen. Funfact: Diese 78 Etappen haben eine Gesamtlänge von sage und schreibe 550 Kilometern und 40 verschiedenen Oberflächen. Natürlich gehören die Länder ebenso wenig wie die Strecken zum Lizenzpaket.
Insgesamt ist das durchaus ein beeindruckender Umfang und befriedigt wohl alle Fans der WRC.
Diese 550 Kilometer Strecke hat aber mehr als nur ein Problem.

Tristesse

Und dann November, Einsamkeit, Tristesse,
Grab oder Stock, der den Gelähmten trägt -
die Himmel segnen nicht, nur die Zypresse,
der Trauerbaum, steht gross und unbewegt.

Gottfried Benn, 1954

Keiner hat das Gefühl des Tristen wohl so treffend beschrieben wie Lyriker Gottfried Benn. Und kein Gedicht, das mir persönlich bekannt ist, passt besser zur Präsentation von „WRC“. Anstatt die angespannte Atmosphäre vor einem Rennen zu zelebrieren, wie es beispielsweise ein „F1 2011“ glorreich tut, fühlt man sich bei „WRC“ eher bei einem Juniorenskirennen. Zwar hat es einige Zuschauer an der Strecke, aber da ist sonst gar nichts. Eventatmosphäre gibt es nicht, Musik ebenfalls nicht. Kein Kommentator, kein Fernsehteam. Das hätte man bei einem Einzelrennen ja noch verstehen können, aber warum nicht mal im Meisterschafts- oder Karrieremodus Stimmung eingebaut wurde, bleibt absolut schleierhaft. Auch in Sachen Menüführung können die Jungs von Black Bean noch viel lernen. Einmal mehr könnte man einen Blick zu „F1 2011“ schielen, die ein interaktives Cockpit-Menü kreiert haben. Es gibt bei „F1“ Interviews, Teamfunk und, und, und.
Zwar kann man in der Karriere auch Sponsoren anwerben, aber wirkliche Auswirkungen auf euren persönlichen Rennstall hat das nicht. Euer Auto hat zwar neue, nette Kleber, aber das war’s. So wird das Sponsoring zu einem reinen Ästhetikfaktor.
Und sonst ist Ästhetik nicht gerade eine Stärke von WRC. Die Strecken sind zwar durchaus an die realen Länder angelehnt, sind aber es fehlt ihnen an Inspiration. Dass Landschaften ansprechend gestaltet werden können, wissen wir nicht erst seit „Uncharted“. Hier begegnet man statt einer dynamischen Welt mit Wind und Regen einer statischen, unbeweglichen Welt. Keine im Wind wogende Gräser, kein zufällig wechselndes Wetter, keine Bäume mit sich bewegenden Ästen, sondern matschigen und ab zehn Metern Distanz unscharfen Texturen. Büsche am Rand sind bloss Sprites, genau so wie die Bäume. Die Zuschauer gleichen einer Klonarmee, die die Galaktische Republik stolz gemacht hätte. Rast man mal durch Innenstädte sieht man keine verwinkelten Gässchen oder Deatils, sondern nur lieblos hingeklatschte Häusertypen, die sich nach wenigen Etappen wiederholen.
In der Präsentation steckt gerade bei Sportspielen oft die halbe Miete drin und die haben die Entwickler von Black Bean einfach nicht bezahlt, scheint es.

Motivierende Rennen

Anders als bei vielen anderen Rennspielen, macht es hier einen Unterschied, wie man seinen Wagen tunt und welche Leistungen ein Auto erbringt. Wenn man das Tutorial hinter sich gebracht hat, und endlich die Karriere beginnt findet man sich bald mit einer ziemlichen Schrottkarre auf irgendwelchen Schotterwegen wieder. Das gleicht einem Kulturschock, hat man sich doch erst gerade an ein Auto mit viel Kraft und direkter Steuerung gewöhnt. Und dann schleeeeeeeicht man geradezu über die Pisten und muss lernen, auch mit mühsameren Lenkrädern umzugehen und seine Fahrten besser zu timen.
Das motiviert schon von Beginn weg und dank guter Fahrphysik fordert das auch.
Da die Strecken (abseits vom öden Design) durchaus anspruchsvoll sind, führt das selbst bei eingeschalteten Fahrhilfen zu extrem spannenden und aufregenden Rennen. Über eine Kuppe zu rasen und gleich danach in ein Nadelöhr hereinzufahren, um die Kurve zu driften und durchs Ziel zu düsen macht enorm Spass. Und das ist die Stärke von „WRC“. Leider macht dem Fahrspass auch hier eine Problematik einen Strich durch die Rechnung. Die Physik.
Einerseits verhalten sich die Fahrzeuge bei Crashes zum Teil extrem unrealistisch und erinnern so an alte Arcadespiele. Wenn man in einen Hügel braust, den jedes Auto locker erklimmen könnte, kann es durchaus sein, dass man wie ein Flummi zurückspringt. Rammt man ein Hindernis nur ganz leicht, muss man damit rechnen, dass es einen sofort umdreht, egal um was für eines das es sich dabei handelt. Das ist das zweite grosse Problem von „WRC“. Die Objekte am Streckenrand verhalten sich mit ganz seltenen Ausnahmen alle gleich. Man kann beim Fahren nicht darauf spekulieren, dass man hier halt eventuell diesen Holzzaun durchbricht, um heil um die Kurve zu kommen. Ich spreche nicht vom Frontalen reinfahren, sondern davon, so einen Hag zum Beispiel mit dem Heck zu zersplittern. Doch leider verhält sich dieser Zaun genau wie eine Steinwand und mein Auto prallt ab und dreht sich. Selbes gilt für leichte Anhöhen, Leitplanken, grosse Steine, kleine Steine. Da es aber hin und wieder Ausnahmen gibt, weiss man nie, wo man jetzt ein Risiko eingehen kann und wo nicht, da man stets damit rechnen kann, dass dieses Objekt eben kein Objek, sondern eine schlichte Levelbegrenzung ist. Braust man mit 120 km/h frontal in einen Baum fällt nicht einmal Laub vom Baum, er bewegt sich absolut keinen einzigen Milimeter. Egal wie dünn er auch ist. Hätten die Entwickler da noch geschraubt, wären die Rennen nahezu perfekt abgelaufen, aber das versalzt die Suppe etwas. Es ist nicht so, dass dieser Fehler dem ganzen Spiel einen Abbruch tut, aber es kann extrem frustrierend sein, den ersten Platz gegen den 13. einzutauschen, nur weil eine Physikengine fehlt.

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