Medal of Honor

Hammer und Skalpell für Militär-Fans

Test Benjamin Kratsch getestet auf PlayStation 3

Atmosphärischer, dichter und vor allem authentischer kann sich ein Militärshooter nicht anfühlen: Shahikot-Tal, Sektor 19009210, 04:38 Uhr am Morgen, die Sonne geht langsam auf. Die Jungs der Spezialeinheit AFO Neptune robben durchs dichte Gestrüpp an einem Berghang.

Es ist staubig, es ist schmutzig, es ist kalt – und direkt vor ihnen frisst eine Ziege Gras, während ihr Hirte nur wenige Meter weiter auf einem Stein hockend Däumchen dreht. „Ich hab freies Schussfeld. Eliminieren?“ fragt Raubein Voodoo. Kollege Preacher antwortet: „Negativ. Haben sie gehört? Das heisst: nicht töten“. Voodoo bestätigt und versetzt den Hirten mit einem satten Würgegriff in den Tiefschlaf. Dann geht’s schnellen Schrittes den Hang hinauf. „Halten Geräuschdisziplin. Voodoo, kein 60er, bis wir sichere Deckung haben!“ – Wow, wer auch Ansatzweise ein Faible fürs Militär hat, wird hier glänzende Augen bekommen. Auch gehört die deutsche Sprachausgabe so ziemlich zum Besten was der Markt zu bieten hat, alle Sprecher sind gut besetzt. Atmosphärisch kann sich das hier problemfrei mit „Modern Warfare 2“ messen: Nebelschwaden wabbern langsam umher, Schatten kleinerer Bäume zieren den Weg. Stille. Bergluft. Anspannung. An einem Lagerfeuer sitzen fünf Taliban –Voodoo, Preacher, Mother und Rabbit, die Jungs der US-Eliteeinheit Tier-1, schleichen sich an. Sechs Schüsse und das Problem ist erledigt. Doch eine Patrouille entdeckt die Leichen, schlägt Alarm, urplötzlich schwirren RPG-Geschosse durch die Luft. Jetzt heisst's cool bleiben und mit dem M240-Scharfschützengewehr einen nach dem anderen ausschalten. Das sind die Szenen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Die dich treiben, den extrem harten Alltag von amerikanischen Soldaten in Afghanistan einfangen.

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Die Welt nach dem 11. September**

Die Geschichte selbst entschlüsselt sich nur bruchstückhaft, vieles bleibt geheimnisvoll – so wie das Pentagon und die CIA nun mal sind. Im Intro hörst du einzelne Sätze, mal aus CIA-Dossiers, mal aus TV-Nachrichten von CNN. Schon bald wird klar: Terroristen haben zwei Flugzeuge gekapert und greifen das World Trade Center an. Spannend ist hierbei, wie "Medal of Honor" die Geschehnisse anpackt: Geht es nach Entwickler Danger Close hat das Weisse Haus bereits wenige Stunden nach den Anschlägen Elitekommandos in Afghanistan aktiviert, um gezielt vermutete Terrorzellen vor Ort auszuschalten und eine gewaltige Luftlande-Operation vorzubereiten. Der Clou: Erst bereitest du als Tier-1-Mitglied die Operation vor, machst einen Informanten in der Taliban-Hochburg Gardez ausfindig, sammelst Informationen über feindliche Stützpunkte und brichst in feindliche Dörfer ein, um LKWs mit Lasern zu markieren, damit die Bomberpiloten wissen, wo sie ihre tödliche Last abwerfen sollen. Dann ist der Prolog zu Ende und die Invasion setzt ein. Das Spiel macht einen Sprung, nach sechs Monaten haben die USA bereits ihre Basen gefestigt und etliche tausend Soldaten in Afghanistan stationiert. Von diesem Zeitpunkt an schlüpfst du in die Uniform eines GI der 57. Randerdivision und startest die Invasion der Helmland-Gebiete. Durch diesen Kniff fühlt sich "Medal of Honor" sehr abwechslungsreich an: Mal rast du mit einem ATV durch ein afghanisches Wadi, ballerst dich durch feindliche Festungen, bist hier Teil eines Grossangriffs und da Teil eines kleinen, aber tödlichen Schnitts. Die Tier-1 sind das Skalpell, die Rangers mit ihrer schieren Masse der Vorschlaghammer.  Beispiel: Nachdem Tier-1 die Flugabwehrstellungen rund um eine Taliban-Festung ausgeschaltet haben, klemmst du dich hinters MG eines Ah 64 Apache Kampfhubschraubers und schiesst eine komplette Bergfestung zu Klump. Hier stechen dann auch mal Schwächen hervor, die Explosionen der Raketen haben nicht genug Druck, im Heli bist du nur Passagier und nicht Pilot. Das kann aber nicht den guten Gesamteindruck schmälern: Die Missionen greifen clever in einander, zwischendurch werden immer mal wieder Zwischensequenzen eingeblendet, die die Skrupellosigkeit von hochrangigen Militärs ankreidet.  Etwa wenn ein General im 9.000 Kilometer entfernten Washington seinen Untergebenen zwingt seine Rangers in ein Gebiet zu entsenden,  zu dem es kaum Intel gibt und wo starke Feindverbände erwartet werden. Hohe Verluste interessieren den General herzlich wenig, er will offensichtlich nur seinen nächsten Stern.

Dieser Sound bringt deinen Subwoofer zum Tanzen

Würden wir einen Award vergeben, den für exzellenten Sound würde sich "Medal of Honor" beim Sturmstiefelschnüren verdienen. Diese Soundkulisse bläst dich einfach weg: Unfassbar wie intensiv sich der Einschlag einer 2000-Pfund-Bombe in einen Bunker anhört. Du wirst Dinge hören, die wirst du nie vergessen: Müssen die Soldaten schnell vorstossen, hecheln sie stellenweise, absichtlich beigemischtes Headset-Knistern und Verzerrfilter sorgen für hautnahe Kriegsatmosphäre.

Multiplayer von den Battlefield-Profis

Die Multiplayer-Komponente entstand in Schweden bei DICE, den Machern von "Battlefield: Bad Company 2". Das hat riesige Vorteile, denn anders als im Singleplayer kommt hier die Frostbite-Engine zum Zug, die mal eben ganze Häuserzüge einäschert. Auch der Rest erinnert stark an Battlefield und das ist gut so: Abschüsse schalten Geld frei, dafür gibt’s stärkere Waffen, schärfere Zielvisiere oder mehr Granaten. Damit werden dann die Modi Combat Mission, Team Assault, Objective Raid und Sector Control gerockt. Besonders spannend ist Combat Mission: Die Teams müssen auf jeder dafür geeigneten Karte bestimmte Aufgabe erfüllen. Im Trupp der Koalitionsstreitkräfte gilt’s auf dem Flugfeld in Masar-I-Sharif beispielsweise eine Strassensperre zu durchbrechen, dann einen Hangar zu stürmen, anschliessend das Flugfeld zu sichern, ein Heli-Wrack zu neutralisieren und zum Schluss Daten aus dem besetzten Tower auf einen Laptop herunterzuladen. Spannend und einfach mal was anderes!

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