Mehr als 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung erscheint Piranha Bytes' Rollenspielklassiker endlich für Konsole. Was der Switch-Port von "Gothic II" inklusive der Erweiterung "Die Nacht des Raben" taugt und ob sich die Handheld-Umsetzung lohnt, erfahrt ihr in unserem Test.
Die dreiteilige "Gothic"-Reihe zählt bis heute zu den beliebtesten Rollenspielserien im deutschsprachigen Raum. Ihren Höhepunkt erreichte sie zweifellos mit dem 2002 veröffentlichten "Gothic II" und der ein Jahr später folgenden Erweiterung "Die Nacht des Raben". Konsolenspieler mussten zwei ganze Jahrzehnte auf eine Umsetzung warten, die nun mit "Gothic II Complete Classic" endlich Wirklichkeit wird. Wie gut oder schlecht die Portierung auf der Nintendo-Konsole gelungen ist und ob nur Fans oder auch Neueinsteiger auf ihre Kosten kommen, erfahrt ihr in diesem Test und im oben eingebetteten Review-Video.
Üppiges Komplettpaket
Wie eingangs bereits erwähnt, bringt "Gothic II Complete Classic" das komplette Rollenspiel-Erlebnis auf die Switch. Hier bekommt ihr also das Grundspiel inklusive der Erweiterung "Die Nacht des Raben". Da letztere als Add-in konzipiert ist, kann die allein rund 15-stündige zusätzliche Questreihe nicht unabhängig von der locker 40 bis 50 Stunden langen Mainquest des Hauptspiels gespielt werden, da beide Handlungsstränge eng miteinander verzahnt sind. Hier müsst ihr euch also sowohl der aus Drachen und Orks bestehenden Armee des bösen Gotts Beliar entgegenstellen, was euch unter anderem ins aus Teil 1 bekannte Minental zurückführt, als auch die neue Bedrohung in einem bislang unbekannten Teil der Insel Khorinis beseitigen. Damit bleibt es zwar bei den drei Hauptfraktionen des Grundspiels (Feuermagier, Söldner und Paladine), denen ihr euch über kurz oder lang anschliessen müsst. Mit den Banditen, den Piraten und dem mit den Wassermagiern verbundenen "Ring des Wassers" kommen mit "Die Nacht des Raben" aber gleich drei neue Subfraktionen dazu. Natürlich gibt es auch etliche neue NPCs, Waffen, Zauber, Rüstungen und sonstige Items wie zum Beispiel antike Steintafeln, mit denen ihr zusätzlich eure Attribute oder Skills aufwertet. Ein bisschen schade dabei ist - denn technisch war das schon mit den Mod-Tools der PC-Fassung problemlos möglich -, dass es keine Option gibt, das Hauptspiel auch ohne Erweiterung zu spielen. Ganz besonders, da der feste, mit "Die Nacht des Raben" gestiegene Schwierigkeitsgrad auf Neueinsteiger leicht abschreckend wirken kann.
Zu schwer für Einsteiger?
Wie Serienkenner ebenfalls längst wissen, verändert "Die Nacht des Raben" auch die Inhalte des Hauptspiels deutlich und verschiebt die Balance. Die meisten Gegner sind in "Die Nacht des Raben" deutlich stärker und zäher. Viele kaufbare Objekte sind beispielsweise teurer, während ihr beim Verkauf weniger Geld erhaltet als im Hauptspiel. Das und einige andere Anpassungen machen das Game insgesamt viel schwieriger oder zumindest aufwendiger. Denn wer hier nur "das Nötigste" macht, trifft mitunter schnell auf Widersacher, denen er (noch) nicht gewachsen ist. Am Ende sind es aber nicht die gestiegene Gegnerstärke oder die gestiegenen Preise für optionale Rüstungs-Upgrades und Co allein, sondern die Kombination aus mehreren Faktoren.
Hinzu kommt für Einsteiger, die inzwischen weit verbreitete Komfortstandards wie Kontrollpunkte erwarten, dass sie bei "Gothic II Complete Classic" diesbezüglich in die Röhre schauen. Ihr könnt zwar (fast) jederzeit manuell speichern. Wollt ihr durch einen virtuellen Tod aber nicht womöglich einigen Fortschritt verlieren, müsst ihr ihn eben regelmässig selbst sichern. Das soll keine Kritik am Spiel sein, ein Fan des PC-Originals (oder wer es generell Oldschool-artig mag), wird damit keine Probleme haben. Den Hinweis auf den nach heutigen Massstäben geringen Komfort und den recht hohen, nicht anpassbaren Schwierigkeitsgrad müssen wir Interessierten, die "Gothic II" noch nicht kennen, aber dennoch geben. Wir haben jedoch noch einen: Oldschool-artig bedeutet im Fall von "Gothic II Complete Classic" auch, dass das Spiel über einen eingebauten Entwicklermodus (Marvin-Modus) verfügt, über den ihr sozusagen Cheats nutzen könnt. Dafür müsst ihr lediglich eine Tastatur an die Switch anschliessen (Anleitungen für die Befehle im Marvin-Modus findet ihr leicht über Google), um zum Beispiel Unverwundbarkeit zu aktivieren oder einen Gegner im Fokus per "Kill-Befehl" ohne Kampf zu töten.