Oh interessant: Hast du deine eigenen Filme gar nicht alle gesehen?
Willem Dafoe: Ich höre und sehe mich selbst nicht gerne. Das ist eine klassische Berufskrankheit: Du siehst dich im Film, denkst dir „uh, das hätte ich aber besser machen können. Und bei der Dialogszene hätte ich mich mehr reinhängen können. Und ah, der Gesichtsausdruck in dem Frame, der passt auch nicht so richtig“. Ich kann das dann nicht geniessen, analysiere zu viel. Ausserdem habe ich eine wunderbare Frau und wir versuchen beide an der Haustür die Arbeit abzugeben.
Ich bin auch ehrlich gesagt am stolzesten auf viele Kurzfilme wie „Saving Norman“ oder Independent-Movies, die ich gedreht habe. Also ich mag „Spider-Man“, das war schon irgendwie ein cooler Streifen. Aber da wird ja nur minimalste Schauspielkunst verlangt. Ich bin ja ein grosser Fan des Experimentaltheaters, habe ja lange in „Theatre X“ gespielt.
Theatre X - wie muss ich mir das vorstellen? Wie unterscheidet sich Experimentaltheater von Filmproduktionen?
Willem Dafoe: Das sind zwei Welten: Improvisationstheater entsteht ja aus dem Moment, also du überlegst dir in der Sekunde auf der Bühne wie du agieren willst. Es ist eine eigene Kunstform, bei der du sehr stark mit deinen Kollegen harmonieren musst. Diese beiden Stilrichtungen sind sehr stark dem Naturalismus verpflichtet, das ist ja das Gegenteil was wir in Hollywood tun. Ich hoffe ich verrate hier keine „dirty secrets“ – schmutzigen Geheimnisse, aber die wenigsten Filme sehen im Kino oder auch TV so aus wie sie gefilmt werden. Achtet nur mal auf die Lichtgebung: die meisten Szenen im Kino haben diesen Glow-Effekt, so als würde ständig die Sonne untergehen. So viele Lichtspiegelungen und diese Dramatik hat eine normale Strasse an einem sonnigen Tag in Los Angeles nicht. Oder die Augen, achtet mal darauf: Wenn ich dir in die Augen schaue, würdest die nie so strahlend grüne oder blaue Augen haben wie im TV. Vielen Charakteren, gerade mit blauen Augen sieht man ja schon aus zig Metern an was für eine Augenfarbe sie haben, das wird alles in der Post Production gemacht.