Apple TV+ (Streamingdienst) - Special

Apple TV+: Qualität, aber noch zu wenig Quantität

Artikel Beat Küttel

Unsere Eindrücke und ein Blick in die Zukunft

Apple hat mit dem Gratisjahr für viele seiner Kunden die richtige Entscheidung getroffen. Denn selbst die moderaten 6 CHF pro Monat für "Normalzahler" sind im Preis-Leistungs-Vergleich mit anderen Anbietern zu viel und hätten wohl dafür gesorgt, dass viele Nutzer entweder gar nicht reingeschaut oder aber in einem bis zwei Monaten alles für sie Interessante "gebingt" hätten, um danach dem Service den Rücken zu kehren. Das jetzige Vorgehen ist auch deshalb ein kluger Schachzug, weil es eben genau nicht (!) Apples Ziel ist, innert Kürze an Netflix vorbeizuziehen. Stattdessen liegt der Fokus darauf, im Apple-Universum immer mehr Services anzubieten und die Kunden so an die eigene Marke zu binden. Musik, Cloud-Speicher, Apple Arcade und jetzt eben auch eine Film- und Serien-Flatrate, da ist so ein Gratisjahr natürlich genau das Richtige, um jegliche Einstiegshürde aus dem Weg zu räumen.

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Doch natürlich muss Apple auch beweisen, dass das alte Sprichwort "Was nichts kostet, ist auch nichts wert" hier nicht zutrifft. Denn wenn die Qualität nicht stimmt, wird sich die Kundschaft trotz Gratis-Abos woanders nach packenden Inhalten umsehen. Glücklicherweise ist die Lage hier viel weniger schlimm, als manch ein Outlet einem beim Launch von Apple TV+ Glauben machen wollte. Die professionellen Kritiker waren nämlich ziemlich verhalten in ihren Urteilen über die ersten Apple-TV+-Inhalte. Doch ein Blick etwa auf "Rotten Tomatoes", wo sowohl Kritiker- als auch Publikumswertungen abgebildet werden, zeigt ein anderes Bild. Die meisten Serien werden dort von gut bis sehr gut eingestuft. Und das ist auch unser Standpunkt. Nebst der unumstrittenen Tatsache, dass alle Inhalte vom künstlerischen und handwerklichen Standpunkt aus gesehen sehr gut gelungen sind, waren wir nämlich auch vom Geschehen auf dem Bildschirm, von den Schauspielerleistungen und von den Geschichten positiv angetan. "See" vermittelt einfach mal eine gänzlich andere Herangehensweise, verpackt aber in eine momentan populäre und gelungene Bildsprache. Auch die alternative Geschichtsstunde in "For all Mankind" ist nicht nur toll präsentiert, sondern unterhält auch bestens und macht Lust auf das, was da noch kommt. Und für Doku-Freunde gibt es zwar nur wenig, aber mit "The Elephant Queen" dafür ein wirkliches Highlight zu sehen. Das alles muss man jedoch natürlich im Kontext sehen. Auch andere Anbieter haben unterhaltsam gemachte Serien und Filme im Angebot und obendrein meist auch noch eingekauften Content von Dritten. Wirkliche Must-see-Inhalte, für die Millionen von Menschen alles stehen und liegen lassen, sucht man bei Apple TV+ derzeit noch vergebens. Aber es fällt eben auch nicht einfach so eine neue Kultserie à la "Akte X", "The Sopranos", "Breaking Bad" oder "Game of Thrones" vom Himmel.

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Aus diesem Grund kommen wir mit unserem abschliessenden Fazit wieder auf die Aussage von zuvor zurück: Das Gratisjahr war die richtige Entscheidung! Apple hat eine treue Gefolgschaft, aber auch die hat sich schon an Netflix, Amazon Prime und Co gewöhnt. Entsprechend schwierig ist es für Apple, sie von dort wegzulocken - erst recht, wenn man zwar derzeit gute, aber eben nur wenige Inhalte zu bieten hat. Doch mit der jetzigen Kostenlos-Strategie (zumindest für einen recht grossen Teil der Kundschaft) verschafft man sich genügend Luft, um das Angebot weiter auszubauen und gleichzeitig den Kunden einen Grund zu geben, immer mal wieder zu schauen, was es Neues gibt. Denn erstens schaut man dem geschenkten sprichwörtlichen Gaul nicht ins Maul, und ungenutzt verstreichen lassen möchte man dieses grosszügige Angebot ja auch nicht. Kurzum: Apple hat noch sehr, sehr viel Arbeit vor sich, sich aber mit der prall gefüllten Kriegskasse ein Jahr Zeit erkauft, die es zu nutzen gilt. Viele noch unterminierte Serien und Filme sind offiziell in der Pipeline, die momentanen Inhalte sind qualitativ gut, und auch Features wie etwa die Möglichkeit, Inhalte zur Offline-Wiedergabe herunterzuladen, dürften potenziellen Kunden gefallen. Wir sind gespannt auf die zukünftigen Inhalte, aber auch auf die Antwort auf die Frage, ob Apple seine Services noch weiter bündeln und etwa ein vergünstigtes Paket mit verschiedenen Services anbieten wird, um die Kunden noch enger an sich zu binden. iCloud, Apple Music, Apple Arcade und Apple TV+ im Paket mit Mengenrabatt? Davon würden doch alle profitieren. Es bleibt auf jeden Fall spannend, und der iPhone-Konzern hat mit Apple TV+ ein weiteres Puzzle-Teil zu seiner zukünftigen Strategie hinzugefügt, das sehr vielversprechend ist und nicht einfach als Frontalangriff auf Netflix, sondern als langfristige Strategie angesehen werden sollte.

Pro

  • Ein ganzes Jahr kostenlos beim Kauf gewisser Apple-Produkte
  • Gute Serien mit teils frischen Prämissen
  • Auf vielen Geräten (Apple TV, iPhone, Webbrowser etc.) verfügbar
  • Download für Offline-Wiedergabe möglich
  • Es werden auch Nischengeschmäcker bedient
  • 4K und HDR

Kontra

  • Derzeit kein Drittanbieter-Content, nur "Apple Originals"
  • Zum Start noch sehr wenige Inhalte
  • Die absolute Must-see-Serie fehlt noch

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