Die Zeit, dass der Diskurs rund um Videospiele von den grossen AAA-Studios dominiert wird, neigt sich langsam, aber sicher dem Ende zu. Indie-Titel wie "Blue Prince" und "Clair Obscur: Expedition 33" zeigen, dass auch von kleineren Teams ganz grosse Überraschungen kommen können.

Entwickler und Publisher Nordcurrent aus Litauen hat sich in der Vergangenheit vor allem Mobile-Games gewidmet. Mit dem exzellenten Horrorspiel "Go Home Annie" schaffte er dann den Sprung zum PC-Gaming. Sein neuester Titel "Chains of Freedom" geht in ein ganz anderes Genre und kombiniert rundenbasierte Taktik im Stil der "XCOM"-Reihe mit einer düsteren Geschichte rund um Propaganda und menschliche Experimente.
Verschwörungen und moralische Dilemmata
"Chains of Freedom" entführt euch in einen fiktiven, dystopischen osteuropäischen Staat namens "The Sovereignty", der von Unterdrückung und Geheimnissen geprägt ist. Die Geschichte beginnt mit einem scheinbar einfachen Auftrag: Als Anführer einer Elite-Einheit von Peacekeepers werdet ihr entsandt, um einen abtrünnigen Wissenschaftler zu eliminieren, der als gefährlicher Sektenführer gilt und angeblich über Gedankenkontrollfähigkeiten verfügt.

Was zunächst als Routine-Einsatz erscheint, entwickelt sich schnell zu einer komplexen Verschwörung. Wir erfahren, dass der Staat Jahre zuvor von einer seltsamen Krankheit namens "EDEN" heimgesucht wurde, die entweder tödlich verlief oder zu schrecklichen Mutationen führte. Die Regierung entwickelte ein Immunisierungsprogramm, das EDEN eindämmte und sogar teilweise durch "Biokristalle" in Artefakte umwandelte, die besondere Fähigkeiten verleihen.
Die rund 20-stündige Geschichte führt uns durch ein Netz aus Verschwörungen, Verrat und Rebellion gegen die unethischen Experimente der Regierung. Während wir tiefer in die Wahrheit eintauchen, werden wir mit moralischen Dilemmata konfrontiert, die uns zwingen, kritisch zu hinterfragen, wem wir vertrauen können. Die Handlung spielt mit relevanten Themen wie Propaganda, Desinformation und der Wichtigkeit kritischen Denkens in einer komplexen Welt, schafft es dabei aber nur selten aus der Klischee-Ecke heraus.
Taktische Tiefe mit holprigem Start
Das Spielerlebnis von "Chains of Freedom" teilt sich in zwei Hauptbereiche: Erkundung und rundenbasierte Kämpfe. Zwischen den Kampfsequenzen erfolgt die Erkundung in Echtzeit, ähnlich wie bei "Mutant Year Zero". Die linearen, aber weitläufigen Zonen bieten Seitenpassagen und versteckte Bereiche, die zur Erkundung einladen und mit wertvollen Ressourcen, Waffen oder Biokristallen belohnen.

Die Kämpfe folgen einem teambasierten Rundensystem, wie man es aus Spielen wie "XCOM" kennt: Zuerst bewegt sich das gesamte Squad, dann alle Gegner. Jeder Charakter verfügt über Aktionspunkte für Bewegung und Angriffe sowie über einzigartige Spezialfähigkeiten wie einen Enterhaken. Die Positionierung ist entscheidend, da das Game ein Deckungssystem verwendet, bei dem Höhenvorteil und strategische Platzierung schnell über Sieg oder Niederlage entscheiden können. Ebenfalls entscheidend ist, ob ihr die Fähigkeiten und Waffen richtig kombinieren könnt.
Das Waffensystem bietet grosse Flexibilität: Jedes Teammitglied kann mit einer Primär- und Sekundärwaffe ausgestattet werden - von Schrotflinten und Scharfschützengewehren bis hin zu Flammenwerfern und verschiedenen Nahkampfwaffen. Besonders interessant ist die Möglichkeit, vor Kämpfen Hinterhalte durch Schleichen vorzubereiten. Gelingt der Überraschungsangriff, erhält das Team einen entscheidenden Vorteil. Leider können wir auf diese Weise oft nur einen einzelnen Gegner ausschalten. Wirkliches Schleichen ist nicht möglich.
Das Herzstück des Progressionssystems sind die Biokristalle, die den Charakteren passive oder aktive Fähigkeiten verleihen und Statusverbesserungen ermöglichen. Dadurch können Spieler ihre Teammitglieder für spezifische Rollen und Synergien spezialisieren. Mit fortschreitendem Spielverlauf können durch beim Erkunden gefundene Geheimnisse zusätzliche Kristallplätze freigeschaltet werden.
Ressourcenknappheit ist ein zentrales Element des Spiels. Munition und Verbrauchsgegenstände sind begrenzt und müssen durch ein Crafting-System aus gesammelten Materialien hergestellt werden. Dies zwingt zu taktischen Entscheidungen über den Einsatz begrenzter Ressourcen und verstärkt das Überlebensthema.
Die Kämpfe sind angenehm anspruchsvoll und bieten trotz einer überschaubaren Varianz an Gegnern erstaunlich viel Abwechslung. Besonders gefallen haben uns die Gefechte mit mehreren Fraktionen, die sich auch untereinander bekämpfen, sodass unser Einsatzkommando gezielt die Überlebenden ausschalten konnte.