Der Warnhinweis zu Beginn des Spiels, dass "Copycat" sensible Inhalte bereithalte, schien etwas übertrieben. Es ist doch nur ein süss animiertes Katzenspiel! Was soll da denn schon gross passieren? Weit gefehlt! Die emotionale Achterbahn hat es trotz kurzer Spieldauer in sich und ist nicht zu unterschätzen.
Wir durften das Debütspiel des Entwicklerduos Spoonful of Wonder für euch spielen und haben einiges zu berichten.
Der Start im Tierheim
"Copycat" startet mit einer zuckersüssen Sequenz, in der sich eine alte Dame namens Olive eine Katze aus dem Tierheim aussucht. Dabei entscheidet sie sich bewusst gegen ein junges Kätzchen und gibt einer älteren Katzendame eine Chance, bei ihr einzuziehen. In Olives Haus angekommen, versteckt sich Dawn - so tauft Olive die neue Katze - direkt und faucht und beisst, sobald Olive ihr zu nahe kommt. Das Spiel erlaubt zwar, dass sich Dawn zwischen jeweils zwei Optionen entscheiden kann, doch leider sind beide Varianten jeweils negativ. Es dauert eine Weile, bis sich das ändert.

Dawn stellt allerlei Unfug im Haus von Olive an, bringt einiges durcheinander und lernt mit der Zeit, dass sie nur ein Ersatz ist. Die ursprüngliche Katze der alten Dame hiess ebenfalls Dawn, sieht gleich aus und ist wohl weggelaufen.
Vertrauen braucht Zeit

Die Erzählerstimme deckt aber auch einige alte Erinnerungen von Dawn auf, die erklären, warum die Katzendame so scheu ist und Olive nicht von Anfang an vertrauen konnte. Mit der Zeit wächst die Verbundenheit zwischen Katze und Oma weiter - und an einem schicksalhaften Abend, wenn Olive besonders verletzlich ist, lässt sich Dawn sogar von ihr streicheln. Die Geschichte von "Copycat" ist sehr dramatisch und doch realistisch und nachvollziehbar aufgebaut. Das Vertrauen, das sich Olive erst erkämpfen muss, ist umso wertvoller und bedeutsamer. Leider bleibt es nicht so harmonisch.
Achterbahn der Gefühle

"Copycat" ist ein Game, was sich in sehr kurzer Spielzeit mit vielen menschlichen Emotionen auseinandersetzt. Von Einsamkeit im Alter, Angst durch Traumata, Suizidgedanken aus Selbsthass, die Freude, ein Zuhause gefunden zu haben, über Mordgedanken aus Verzweiflung bis hin zu Überlebensinstinkten, die alle anderen Gefühle in den Hintergrund drängen. Dabei wechseln sich die negativen Gefühle mit den positiven ab, um eine rasante Achterbahnfahrt vorzubereiten. Zum Glück hält die Achterbahn irgendwann an, und es gibt schlussendlich doch noch ein Happy End.
Katze tut Katzendinge

Ähnlich wie bei "Stray" kann die Katze in "Copycat" es nicht lassen, Katzendinge zu tun - etwa Sachen herunterschmeissen, Vögel jagen oder auf Bäume klettern. Die Steuerung ist leider weniger ausgereift, und so fühlen sich die Bewegungen oftmals etwas hakelig an. Trotzdem macht es Spass, mit Dawn das Haus und später die Aussenwelt zu erkunden. Wären da nur nicht so viele unsichtbare Wände. Sowohl in der normalen Welt als auch in Dawns Traumwelt, in der sie sich selbst als riesige Raubkatze sieht und auf Kaninchenjagd geht, stösst Dawn so leider immer wieder auf unsichtbare Hindernisse, die sogar zu Spielabstürzen führen können.
Dramatische Musik, wenn die Katze Unfug treibt
Sobald Dawn etwas ausheckt oder in ihren Traumsequenzen ist, setzt dramatische Musik ein - und Dawn ist nicht davon abzubringen, den Schabernack auszuführen. Sei es Harmloseres wie das Umkippen von einem Teller oder das Zerfetzen des Toilettenpapiers oder Ernsteres, bei dem sie das halbe Haus zerstört. Die Musik passt sich der grundlegenden Stimmung des Spiels an und unterstreicht die einzelnen Szenen passend.
Fazit

Nach drei Stunden ist "Copycat" durchgespielt, und trotz Happy End lässt es einen etwas nachdenklich zurück. Gewisse Szenen brennen sich ein und sind absolut nicht leicht verdaulich. Das spricht für eine gute Geschichten-Erzählung, aber dadurch, dass so viele und vor allem so heftige Emotionen in so eine kurze Spielzeit gepackt wurden, erschlägt es einen etwas. Ich gehe mit gemischten Gefühlen in den Abspann des Games: Auf der einen Seite mochte ich die Geschichte rund um Dawn, Olive und Sunrise (aufgrund von Spoiler-Gefahr werde ich den Charakter von Sunrise nicht weiter erläutern), auf der anderen Seite fühlt es sich so an, als hätte man gar keine andere Wahl gehabt. Die Entscheidungsmöglichkeiten haben mich oft gezwungen, Dinge zu tun, die ich nicht tun wollte. Zum Beispiel zu Beginn, ob ich Olive kratzen oder beissen will. Ich wollte nichts von beidem machen, musste allerdings eine Option wählen, um weiterzuspielen. Es fühlte sich mehr wie ein Kurzfilm an. Zudem gehe ich mit einigen Aussagen nicht überein, die sich auch zum Ende hin nicht in Wohlgefallen auflösen. Eine Katze zu adoptieren heisst, Verantwortung zu übernehmen - und nicht, sie im Stich zu lassen und zu hoffen, dass am Ende einfach alles gut wird. Ich weiss, dass viele Haustierbesitzer verantwortungslos mit ihren Haustieren umgehen. Doch das so hautnah in einem Spiel abgebildet zu sehen, macht einen betroffen und traurig. Trotzdem ist es sehr beeindruckend, wie gut das Game viele verschiedene Aussagen herüberbringt - in so kurzer Spielzeit und mit nur zwei Entwicklern, die dem Ganzen Leben eingehaucht haben. Für einen Debüttitel ist das wirklich gelungen!