Man fragt sich aktuell ja praktisch rund um die Uhr, ob man noch in der Realität unterwegs ist oder sich in einem nicht enden wollenden Fiebertraum befindet. Nun hat jeder seine eigene Methode, damit umzugehen, für die geneigten Leserinnen und Leser dieser Kolumne dürften fiktionale Welten in dieser Hinsicht die erste Wahl sein. Deshalb haben wir euch für die kommenden Wochen einige neue Serien zusammengestellt, die für einen Gute-Laune-Boost sorgen oder zumindest etwas Ablenkung von der grauen Gegenwart versprechen. Nicht ganz zufällig scheinen derzeit Stoffe Konjunktur zu haben, die sich mit den verschwimmenden Grenzen zwischen realer Welt und jenem Reich befassen, das wir selbst in unseren Köpfen erschaffen. Auffällig ist auch, dass sich viele Produktionen auf ganz klassische Erzählweisen besinnen und gute Geschichten wieder die Oberhand über CGI und Special Effects zu gewinnen scheinen. So könnte "Nobody Wants This" auch von Woody Allen ins Szene gesetzt worden sein, bei mindestens zwei Produktion stand ganz eindeutig Altmeister Alfred Hitchcock Pate und auch die 80er-Jahre kommen – inklusive der Songs dieser Ära – mal wieder zu Ehren. Uns soll’s recht sein!
JEDER will das!
Trotz unzähliger Neuerscheinungen kommt es doch ziemlich selten vor, dass man anderen Menschen eine Serie empfiehlt und sie einem das nächste Mal strahlend erklären, was für eine grosse Freude man ihnen da gemacht hat. Und dass sie die Empfehlung bereits mehrfach erfolgreich weiterempfohlen haben. Eine solche Art von glücklich machendem verbalen Kettenbrief ist das Erfolgsgeheimnis hinter "Nobody Wants This". Die Netflix-Produktion umfasst gerade mal acht etwa halbstündige Folgen und war der Durchbruch für die 42jährige Ex-Schauspielerin Erin Foster, die vor einigen Jahren ihr Betätigungsfeld gewechselt hat und nun schreibt und produziert. "Nobody Wants This" handelt von der Sex-Podcasterin Joanne (Kristen Bell), die sich in den jungen, schlagfertigen Rabbi Noah (Adam Brody) verliebt. Dass diese Liebe nicht unerwidert bleibt, schützt das junge Paar nicht vor allerlei Turbulenzen, bei denen Joannes Sidekick Morgan (Justine Lupe) und Noahs grobschlächtiger Bruder Sasha (Timothy Simons) wichtige Nebenrollen besetzen.
Auch Noahs Mutter, die keineswegs begeistert ist, dass ihr Vorzeigesohn mit einer so offenherzigen "Schickse" anbändelt. Im Jüdischen, das muss man wohl dazusagen, ist dieses Wort etwas weniger abfällig, als es sich auf Deutsch anhört, und meint einfach eine nichtjüdische Schwiegertochter mit einem, na ja, doch irgendwie unseriösen Lebenswandel. Zugegeben, das alles hört sich alles ebenso weit hergeholt wie klischeehaft an, funktioniert tatsächlich aber ganz wunderbar. Wie machen die das nur? Mit grossartigen, manchmal lebensklugen, manchmal albernen Dialogen, die wie aus dem Leben gegriffen klingen und perfekt gecasteten Darstellen, die ihnen ebensolches einhauchen. Mehr ist manchmal gar nicht nötig, um uns Folge um Folge dämlich grinsend vor dem Fernseher sitzen zu lassen und einfach glücklich zu machen. Das ist in Zeiten, in denen einem Tag für Tag das Lachen vergeht und man sich oft schon ein Schmunzeln abringen muss, schon eine ganze Menge. Wollt ihr nicht? Wollt ihr doch!
"Nobody Wants This", gestreamt auf Netflix