Die GAMES.CH-Kolumne #04-2020: PS5 und Xbox Series X

Was die nächste Konsolen- und Games-Generation möglich machen könnten

Artikel Video Michael

Wir sehen schon, was geht!

Das alles klingt gross und schräg? Ja, weil es das ist. Die ersten Schatten dieser Machbarkeiten und Möglichkeiten werfen einige Games bereits voraus. Darunter ist das Virtual-Reality-Meisterwerk "Half-Life: Alyx", mit dem Valve sachte, aber spürbar vorfühlt, was dem Spieler in den kommenden Jahren erwarten wird. Denn was der Entwickler hier tat, war der Versuch einer Umsetzung dessen, was wir tatsächlich von einer Virtual-Reality-Erfahrung fordern. Es macht eine virtuelle Umgebung nämlich in vielerlei Hinsicht plausibel, intuitiv und setzt sich damit in Teilen über die bisher bekannten Logiken und Konventionen hinweg. Blockiert ein Karton in "Half-Life: Alex" die Sicht, wenn man sich zur Seite lehnt, um nach einem Gegner zu spähen, kann man ihn mit der Hand einfach beiseiteschieben. Findet man Munition, ohne einen freien Inventarplatz zu besitzen, packt man sie in einen Wäschekorb, den man selbstverständlich mitschleppen kann. Springt eine Headcrab auf einen zu, kann man einen Stuhl auf sie schleudern, der zusammen mit ihr durch ein Fenster splittert. Das fühlt sich anders an als alles bisher Dagewesene!

Aber wirklich in Breite sichtbar wird, was die Next-Gen-Games bedeuten werden, wohl mit "Dying Light 2". Was oberflächlich nach der einfachen Fortsetzung von "Dying Light" ausschaut, wird ein narratives und spielerisches Mega-Experiment. Techland will, dass der Handlungsort des Spiels, die sogenannte The City, durch den Spieler selbst mitgeformt und gestaltet wird - und zwar sowohl passiv als auch aktiv. Er wird Entscheidungen treffen, Missionen annehmen und ablehnen, sich Fraktionen anschliessen oder sie bekämpfen können. Und das wird in der Spielwelt deutlich sichtbar sein. Verfallene Ruinen können dadurch für einen Spieler zu einem mit Solar- und Windkraftwerken gespickten Post-Apokalypse-Utopia werden, für einen anderen zu einem dreckigen Slum oder auch zu einem zerbombten Ödland.

Daraus folgt auch, dass Charaktere, die für einen Spieler massive Bedeutung haben, für einen anderen nur eine Randfigur darstellen. Oder vielleicht gar nur irgendeinen Typen, dem er eine Kugel oder eine Axt in den Schädel geknallt hat. Das stellt das bisherige Verständnis von Games mit Rollenspiel-Elementen in gewisser Weise auf den Kopf und schiebt sie mehr in Richtung dessen, was Pen-&-Paper-Rollenspiele auch heute noch so faszinierend macht: ihre Variabilität, ihre Flexibilität. Die Spiele folgen dem Spieler und nicht der Spieler dem Spiel. Chris Avellone, der die Story von "Dying Light 2" mitverantwortet, sagte daher, dass "Dying Light 2" weniger ein Videospiel, sondern eher "ein narrativer Sandkasten" sei, in dem jede Tat "echte Konsequenzen" nach sich ziehe.

Genau das und noch mehr will auch Ken Levine. Seit 2017 arbeitet der "BioShock"-Schöpfer mit seinem kleinen Team bei Ghost Story Games an einem noch namenlosen Werk, das Ego-Shooter, Action-Rollenspiel und eine "immersive Simulation" sein soll. Das Game soll keine feste Story, keinen roten Faden besitzen. Das Geschehen soll stattdessen um den Spieler herum wie aus einem Baukasten mit LEGO-Steinen zusammengesetzt werden. Figuren, Umgebungen, Dialoge, Handlungsmöglichkeiten - nahezu alles ist dafür in austauschbare und kompatible Einzelteile zerlegt, die neu gemischt und wieder verbunden werden können. Wie Job-Ausschreibungen und Andeutungen verraten haben, soll das mittels einer künstlichen Intelligenz geschehen, die das Spiel und seine Kernelemente lenkt, verformt und einsetzt, wie es passend erscheint. Kein Einstieg und kein Durchspielen seien dadurch jemals identisch. Vielmehr könnten zwei Spieldurchläufe fast so wirken, als wären es zwei komplett verschiedene Spiele.

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