Erica-Schöpfer Jack Attridge - Interview

Die Rückkehr der "Full Motion Video Games"

Interview Video Achim Fehrenbach

In den Neunzigern waren sie ganz gross, verschwanden dann von der Bildfläche - und sind jetzt stark verbessert wieder da: "Full Motion Video Games", die auf Filmsequenzen statt auf Computergrafik setzen. "Erica"-Mastermind Jack Attridge ist überzeugt, dass sie vieles besser können als herkömmliche Games. Ein Interview.

"Night Trap" von 1992 ist ein denkwürdiges Spiel. Denkwürdig vor allem deshalb, weil es hart an der Grenze des Trashes entlangsurft - und auch ordentlich darüber hinaus. Spieler übernehmen die Rolle eines Spezialagenten, der mit zahlreichen Kameras ein Haus überwacht, das von einer Gruppe weiblicher Teenager erkundet wird. Was die Teenies nicht wissen: Im Haus treiben vampirartige Monster ihr Unwesen. Spieler müssen nun die Monster fangen und die Teenies retten. Das Besondere an "Night Trap": Das gesamte Spiel besteht aus Videosequenzen, die via Laserdisc eingespielt werden. Es war eines der frühen Full Motion Video Games - und eines der trashigsten obendrein.

Der Launch-Trailer zur 25th Anniversary Edition von "Night Trap"

Mitte der 1990er-Jahre begann der Siegeszug der 3D-Spielegrafik, und Full Motion Video Games verschwanden weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein. Mehr als ein Vierteljahrhundert später erlebt das Genre jedoch ein erstaunliches Revival. Gründe hat das mehrere. Erstens gibt es immer mehr Indie-Entwickler, die mit neuen und bestehenden Formaten experimentieren. Bestes Beispiel ist Sam Barlow, der mit "Her Story" und "Telling Lies" gleich zwei hochspannende "Full Motion Video Games" veröffentlicht hat. Ein zweiter Grund für das Revival ist, dass die FMV-Entwickler aus den Fehlern ihrer Vorgänger gelernt haben: Spiele wie "Late Shift", "The Infectious Madness of Doctor Dekker" oder "The Shapeshifting Detective" bieten deutlich komplexere und spannendere Inhalte als seinerzeit ein "Night Trap". Drittens wird das FMV-Revival auch durch Experimente wie "Black Mirror: Bandersnatch" befeuert: Das interaktive Video erreichte auf Netflix ein riesiges Publikum, das leidenschaftlich die verschiedenen Storyverläufe erforschte.

Der Trailer zum Thriller "Late Shift"

Das kürzlich veröffentlichte Spiel "Erica" nimmt in dem Genre eine gewisse Sonderstellung ein. Das britische Studio Flavourworks hat eigene Interaktionstechnologien entwickelt, um den PS4-Exklusivtitel noch dramatischer und emotionaler zu machen. Ausserdem merkt man "Erica" ("Erica") an, dass die Macher teilweise aus der Filmbranche kommen - und entsprechend geschickt filmische Sprache einsetzen. Jack Attridge ist einer dieser Macher: Der Flavourworks-Leiter hat mit dem Genre noch viel vor. Wir trafen Jack bei der Entwicklerkonferenz Reboot Develop Red im kanadischen Nationalpark Banff. Ein Interview über Theater, das Uncanny Valley und die Zeit mit Entwicklerlegende Peter Molyneux.

Kommentare

Features Artikel