Helvetii - Test / Review

Schweizer Märchen zum Spielen

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Bevor die grossen Publisher Spielern mit Free2Play-Titeln das Geld aus der Tasche zogen, gab es viele Seiten, auf denen Indie-Entwickler ihre Talente kostenlos zur Schau stellten. Zwar gibt es Sites wie Newgrounds heute noch, ihren Zenit haben sie aber dank einfacherem Zugang zu kommerziellen Plattformen wie dem eShop oder Steam schon längst überschritten. Das Spiel "Helvetii" des Schweizer Entwicklers Team Kwakwa besinnt sich mit einem handgezeichneten Grafikstil und schneller, unkomplizierter Action auf genau diese frühen Tage des Indie-Gamings zurück.

Die verwunschenen Wälder Galliens

"Helvetii" versetzt euch in eine Zeit, bevor es die Schweiz, wie wir sie heute kennen, gab. Ein Grossteil des damaligen Galliens ist von Römern besetzt. Doch ein junger Häuptling namens Divico schliesst einen Pakt mit den launischen Naturgöttern, um die römische Besetzung zurückzuschlagen. Die wilde Magie vertreibt aber nicht nur die Römer, sondern korrumpiert Divico und die umliegenden Wälder und lockt Kultisten und Monster hervor. Einzige Hilfe bietet die Druidin Nammeios, die möglicherweise einen Weg kennt, den Fluch zu brechen. Gleichzeitig sucht auch einer der von der Verderbnis befallenen Waldbewohner, ein Fuchs, der plötzlich zum Mischwesen zwischen Menschen und Tier wurde, die Hilfe der Druidin. Zu dritt machen sich die Helden auf, das Übel abzuwehren und die wild gewordenen Feen und Naturgeister wieder in ihre Schranken zu weisen.

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Die Geschichte von "Helvetii" bietet tatsächlich einiges an Potenzial. Wir kennen inzwischen die nordische, keltische und sogar ägyptische Mythologie beinahe im Schlaf. Die alten Bräuche und Götter der Mitteleuropäer sind im Vergleich nur selten Zentrum der Popkultur. Erzählerisch ist bei "Helvetii" allerdings leider nicht viel zu finden. Abseits des Intros gibt es nur wenige Momente, in denen die Charaktere überhaupt miteinander agieren, und selbst dort wird kaum mehr auf die Welt und ihre Geschichte eingegangen. Ohne weiteren Kontext verschwimmt das Setting zu grösstenteils generischer Fantasy, die wir dann doch schon öfter gesehen haben.

Kampfspiel trifft Roguelike

Die Geschichte steht ohnehin nicht im Fokus. Klar ist, dass "Helvetii" euch so schnell und unkompliziert wie möglich in die Action bringen will. Ihr wählt einen der drei verfügbaren Helden und werdet (nach einem optionalen Tutorial) direkt ins Spiel geworfen. Hier erkundet ihr die zweidimensionale Welt, die wie ein "Metroid" oder "Castlevania" in Kacheln aufgeteilt ist. Anders als bei den beiden Klassikern gibt es in "Helvetii" innerhalb der Räume aber nicht viel zu entdecken. Vielmehr handelt es sich hierbei um Kampfarenen, in denen euch verschiedene Gegner auflauern. Mit einem Mix aus schnellen und starken Attacken sowie Spezialangriffen beissen sie aber schnell ins Gras. Habt ihr Glück, findet ihr nach dem Kampf eine Schatztruhe mit Gold, das ihr im Shop des Levels für nützliche Upgrades eintauschen könnt. Ausserdem könnt ihr Götter finden, die euch Zugang auf zwei mächtige Attacken gewähren, die von eurer Magieleiste Gebrauch machen.

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Noch deutlicher als bei anderen Roguelikes geht es bei "Helvetii" primär darum, die Bosse in die Knie zu zwingen. Normale Gegner stellen in der Regel nämlich kaum ein Hindernis dar, während die Bosse je nach Götterfähigkeit und Charakter zwischen unfair und kinderleicht schwanken. Fuchsmensch Renart kann beispielsweise Angriffe als einziger parieren und so viele Kämpfe geradezu trivial machen. Divico auf der anderen Seite kann zwar schwere Attacken von Gegnern unterbrechen, verfügt aber über keinen Weg, um sich selbst vor Angriffen zu schützen, und ist so einigen Arena-füllenden Attacken späterer Bosse grösstenteils ausgeliefert. Auch Druidin Nammeios hat Schwierigkeiten, Angriffen zu entgehen, kann dies aber ausgleichen, da sie ohnehin lieber aus der Ferne mit ihrem Raben angreift. Viele der Upgrades machen sich leider kaum bemerkbar, während andere, wie manche Götterfähigkeiten, so stark sind, dass sie allein den Durchlauf tragen.

Zusammen mit dem recht simplen, wenngleich anfangs spassigen Kampfsystem ist "Helvetii" entweder zu leicht oder zu frustrierend, eine wirkliche Balance findet das Spiel nur sehr schwer. Hinzu kommt, dass sich durch das Fehlen von Upgrades, die den Spielstil massgeblich beeinflussen, jeder Durchgang mit demselben Charakter nahezu identisch anfühlt. Wenn wir dann etwa das erste Gebiet immer und immer wieder durchlaufen, nur um zu späteren Arealen zu gelangen, weicht der anfängliche Spass leider schnell der Monotonie.

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Das ist sehr schade, denn obwohl die Gegner für unseren Geschmack etwas zu viel einstecken, machen die Kämpfe im Grunde doch Spass. Das liegt nicht zuletzt an der soliden Inszenierung, bei der sich Charaktere und Gegner gut vom Hintergrund des Spiels trennen und wir mit nur wenig Übung bereits lange Kombos aneinanderreihen und Feinde schwerelos in der Luft jonglieren.

Charmante Retro-Optik

Die grösste Stärke von "Helvetii" ist klar die Präsentation. Insbesondere die detaillierten Gegner und Spielercharaktere und ihre Animationen sind liebevoll umgesetzt. Zwar hätte es bei den Widersachern gern mehr Variation geben dürfen, da wir pro Gebiet dieselben vier bis fünf Gegner in verschiedenen Kombinationen antreffen. Die handgezeichneten Charaktere passen aber sehr gut zur märchenhaften Atmosphäre und sprühen geradezu vor Persönlichkeit. Das Spiel schafft es damit, Nostalgie an die frühe Zeit der Indie-Titel zu wecken, aber gleichzeitig diesen Stil zu modernisieren und eine eigene Nische zu finden.

Fazit

Ein originelles Setting und spassige, wenngleich hektische Kämpfe machen einen sehr guten ersten Eindruck. Leider schafft es "Helvetii" nicht, diese Frische über längere Zeit zu halten. Schlecht ist der 2D-Brawler keineswegs, das Roguelike-Genre schadet dem Spielspass aber, da es den verschiedenen Durchgängen an Variation mangelt. "Helvetii" kann eine ganze Weile Spass machen, und besonders die sehr unterschiedlichen spielbaren Charaktere helfen. Über kurz oder lang geht diesem urchigen Schweizer Märchen aber die Puste aus.

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