Der Vorgänger litt zum Start unter teils schwerwiegenden Bugs und bot dennoch ein einzigartiges und vor allem gutes Rollenspiel-Erlebnis. Der Nachfolger ist erheblich grösser sowie spielerisch und technisch ausgereifter. Unser Test klärt, ob es zum Must-have reicht oder erneut vor allem Liebhaber realistischer Oldschool-RPGs auf ihre Kosten kommen.
Im mittleren Galopp reiten wir einen Pfad in Mittelböhmen entlang. Neben uns saftig grüne Wiesen, im Hintergrund dichte Nadelwälder, bei deren Anblick wir gleich Lust aufs Pilzesammeln bekommen. Der matschige Pfad macht eine Biegung durch eine kleine Siedlung mit eigener Kapelle. Kaum haben wir wieder freie Sicht in die Ferne, baut sich vor uns die massive Mauer einer Stadt auf, untermalt von musikalischen Klängen, die den Moment perfekt unterstreichen, als wir uns mit Heinrich von Skalitz zum allerersten Mal der Silberbergbau-Stadt Kuttenberg nähern. Es ist nur einer von vielen fantastischen Momenten in "Kingdom Come: Deliverance II", mit dem Entwickler Warhorse Studios endgültig die Herzen der Rollenspiel-Fans gewinnen möchte. Für uns ist dies dem tschechischen Studio noch mehr als im ersten Teil gelungen. Hier erfahrt ihr, ob der Funke auch bei euch überspringen könnte.
Rache im historischen Böhmen
"Kingdom Come: Deliverance II" setzt bekanntlich mehr oder weniger direkt die Handlung des 2018 veröffentlichten ersten Teils fort. Ihr spielt also erneut den Schmiedsohn Heinrich von Skalitz, dessen Familie im ersten Teil brutal ermordet wurde. Hier geht es aber um weit mehr als nur eine Rache-Story, denn die Geschichte ist in den historischen Kontext des Böhmischen Thronstreits im frühen 15. Jahrhundert eingewoben. Der alte König Wenzel wurde von seinem Halbbruder Sigismund entführt, der nun selbst auf dem Thron sitzt, während vornehmlich Truppen aus Ungarn und Banditen im Königreich rauben und brandschatzen. Ihr geratet dabei immer näher ans Zentrum der Macht und an die bisweilen absurden, historisch belegten Intrigen und trefft, ein bisschen wie in "Assassin's Creed", immer wieder auf bedeutende Persönlichkeiten, die tatsächlich existierten. Zu letzteren gehören etwa Otto von Bergow sowie Mitglieder des Hauses Liechtenstein und natürlich aus der Dynastie der Luxemburger wie der Markgraf Jobst von Mähren. Der Krieg, die Intrigen, das alles läuft hier also nicht mehr eher im Hintergrund wie in Teil 1. Ihr seid hier mehr denn je im wahrsten Sinne des Wortes mittendrin.

Im Rahmen dessen werdet ihr als Unterstützer Wenzels im Laufe der Story gleich mehrfach festgenommen, müsst Verbündete aus den Fängen eurer Widersacher befreien oder selbst Intrigen schmieden, um einen von Sigismunds Verbündeten loszuwerden. Die Hauptgeschichte schlägt dabei zwar vielleicht manchmal sogar den einen oder anderen Haken zu viel. Das Spiel gleicht dies allerdings mit spektakulären Massenschlachten, packenden Stealth-Missionen und einer gesunden, nie überzogenen emotionalen Tiefe aus. Das gilt nicht zuletzt auch für das Verhältnis zwischen Hans und seinem schnöseligen adligen Freund Hans Capon von Pirkstein, dem es neben ernsten Momenten, genauso wie dem Rest des Spiels, auch nie an Humor mangelt.
