Die GAMES.CH Kolumne #04-2018

Was wir aus der „Kingdom Come: Deliverance”-Debatte mitnehmen können

Artikel Video Michael

Eine realistische und einfangende Mittelaltererfahrung will „Kingdom Come: Deliverance“ liefern. Für Debattenstoff sorgten aber vor allem die Aussagen eines Entwicklers. Mittlerweile ist das Rollenspiel erschienen und die Diskussion wieder abgekühlt. Also ziehen wir mal ein kurzes Fazit.

Ich versuche gerne, vorschnelle Urteile zu vermeiden. Das gelingt mir selbstverständlich nicht immer – aber immerhin bin ich darum bemüht. Daher wollte ich mir mit meiner Meinung zu „Kingdom Come: Deliverance“ etwas Zeit lassen. Letztlich muss ich nun sagen: Ich mag das Game nicht. Aber ich erkenne durchaus an, dass es vielen anders geht und „Kingdom Come“ ein durchaus beachtliches Rollenspielwerk mit hochgesteckten Ambitionen darstellt. Das sagt ja auch unser Test. Allerdings gibt es eben viele Aspekte, die mir den Spass vergällen. Nicht zuletzt da die Idee eines Rollenspiels in einer realistischen Mittelalterwelt ohne Drachen oder Elfen durchaus seinen Reiz hat. Jedoch fühlt sich die Zeitreise in die Vergangenheit für mich allem voran ziemlich öde, unheimlich schleppend und irgendwie zweifelhaft an. Das ist keine objektive Einschätzung, sondern ein subjektives Empfinden. Daran trägt wohl auch die Debatte eine gewisse Mitschuld, die kurz vor dem Erscheinen um „Kingdom Come: Deliverance“ entfachte. Grund? Das Fehlen farbiger Nichtspielercharaktere und – der vermeintliche Grund dafür – Lead Designer Daniel Vávra.

Daniel Vávra von den tschechischen Warhorse Studios ist nämlich ein Anhänger des Mythos des „weissen Mittelalters“. Das ist die Überzeugung, dass in der Zeit von Rittern und Burgen nahezu ausschliesslich Menschen mit weisser Haut durch die europäischen Lande stiefelten. Eine Vorstellung, die vor allem Filme und Serien stark verfestigt haben, die aber gleichwohl recht wenig mit der Realität zu schaffen hat. Wie mittlerweile recht viele Archäologen proklamieren, waren auch schon seinerzeit vielfach Menschen aus Afrika und dem vorderen Orient im mittelalterlichen Europa unterwegs. Historische Aufzeichnungen und Ausgrabungen aus den letzten Jahrzehnten scheinen das zu belegen. Die fremdländischen Besucher waren dabei nicht nur zum Handeln hier, sondern teils auch, um sich ein neues Leben aufzubauen – was eigentlich ihre Repräsentanz und Sichtbarkeit in „Kingdome Come“ rechtfertigen würde. Aber stattdessen: Milchgesichter überall! Ob Vávra die aktuelle Faktenlage ernsthaft abstreitet oder sie einfach ignoriert? Das wissen wir nicht. Allerdings hat er auch mit recht drastischen, rechtspopulistischen, revisionistischen und auch generell fragwürdigen Aussprüchen für einiges Aufsehen gesorgt.

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