Es ist ein Phänomen, das man nicht leicht erklären kann. Nach der fulminanten Eröffnungssequenz fühlen sich schon die ersten Schritte in "Monster Hunter Wilds" an, als würde man in sein Lieblingsressort kommen, in das man schon seit zwei Jahrzehnten regelmässig fährt und in dem man nun auch diesmal wieder viele, viele Wochen verbringen wird.
Alles wirkt vertraut, die lieb gewonnenen Abläufe, alte Bekanntschaften, und doch gab es einige Veränderungen, die man zunächst etwas skeptisch beäugt. Der Ort hat sich herausgeputzt, alles frisch gestrichen und strahlend wie noch nie. Und man fragt sich unwillkürlich: "Wie machen die das eigentlich?" Oder auch: "Sollte ich nicht auch mal irgendwo anders Urlaub machen?" Zumindest die zweite Frage lässt sich nach ein paar Stunden beantworten: Nein, auf gar keinen Fall!

20 Jahre liegt die Veröffentlichung des ersten Teils nun zurück. "Monster Hunter" erschien für die PlayStation 2 und war einer der ersten Konsolentitel, das die Online-Funktionen in den Vordergrund stellte und einen Koop-Modus besass. "Wir wollten das Spiel so gestalten, dass man auch als weniger erfahrener Spieler an der Jagd teilnehmen kann und dass alle zusammenarbeiten und sich gegenseitig auf die jeweils passende Weise unterstützen können", erklärt Produzent Ryozo Tsujimoto in unserem Interview. Die grundlegenden Konzepte der Serie sind selbst nach zwei Jahrzehnten immer noch dieselben, obschon sich das Gameplay inzwischen sehr viel dynamischer anfühlt als in der Vergangenheit. Zwei weitere Stichworte, die Tsujimoto selbst gibt, muss man bei einem Test des neuesten Ablegers "Monster Hunter Wilds" ebenfalls im Auge behalten: "zugänglich" und "nahtlos".

Von Anfang an gehörte nämlich auch eine gewisse Sperrigkeit zu "Monster Hunter". Da sind etwa die unzähligen Materialien, die man in der Welt einsammeln kann und dazu dienen, Tränke zu brauen, Gerichte mit bestimmten Statuseffekten herzustellen oder die Ausrüstung zu verbessern. Obwohl "Monster Hunter Wilds" einen grossen Schritt unternimmt, dieses Feature etwas kompakter und transparenter zu gestalten, könnte man tatsächlich ein dickes Buch allein darüber schreiben. Auch das böse Wort "grinden" fällt in Bezug auf "Monster Hunter" regelmässig. Und ja, 2025 verbringt man erneut viel Zeit damit, Waffen und Rüstung mithilfe von erbeuteten Materialien Stück für Stück zu verbessern, um für künftige Grosstaten gewappnet zu sein. Doch all das wurde für "Monster Hunter Wilds" nachvollziehbarer und zugänglicher gemacht. Wer will, kann sich beim Feilen an der perfekten Ausrüstung weiterhin stundenlang verkünsteln - oder einfach den Empfehlungen folgen, die bei der schönen Schmiedin Gemma automatisch hinterlegt werden.
Gross, grösser, Monster Hunter
Da wir gerade von Grosstaten sprachen: "Gross" ist im Fall von "Monster Hunter" in vielerlei Beziehung das passende Adjektiv. Gross sind erst mal die Karten, nämlich zwei- bis dreimal so gross wie beim gefeierten Vorgänger "Monster Hunter: World", der international den endgültigen Durchbruch für die Reihe markierte. Vom Basislager aus kann man dorthin nun - Stichwort "nahtlos" - auch ganz ohne bestimmten Auftrag aufbrechen, um einfach mal zu sehen, was passiert. Obschon die Entwickler betonen, dass dies aus "Monster Hunter Wilds" noch kein Open-World-Game macht, vergrössern sich die Freiheitsgrade dadurch erheblich. Dazu trägt auch bei, dass man nun in unterschiedlichen Regionen seine Zelte aufschlagen kann, sodass man jeweils schnell am Ort des Geschehens ist und Zugriff auf das gesamte Equipment hat. Die stetige Begleiterin Alma dient jederzeit als Questgeberin, sodass man die Freiheit hat zu entscheiden, wo und womit man die nächsten Stunden zubringen will. Die Rolle des Basislagers wird dadurch nicht entwertet, denn dort warten unter anderem die Schmiede, Händler und ein Trainingscamp, in dem man ungefährdet seine Waffen-Skills verfeinern kann.

Die Hauptmission ist nun in eine zusammenhängende Story eingebunden, bei der man auf die Jagd nach dem sagenumwobenen "Weissen Geist" Arveld geht, den man im Idealfall irgendwann zur Strecke bringt. Dabei passen sich die Cutscenes, in denen diese Geschichte erzählt wird, nahtlos dem Rest des Spiels an. Und das erstrahlt in einem detailverliebten Naturalismus, der alle anderen Teile bei Weitem in den Schatten stellt. Um das Biom "Wald" als Beispiel zu nehmen: Überall spriesst, wabert und flirrt es; fast glaubt man, die feuchte Urwaldluft riechen zu können, und ertappt sich dabei, wie man nach einem imaginären Moskito schlägt, der einen gestochen hat. Beeindruckend auch, wie gut es gelingt, den zu Beginn des Spiels bis ins kleinste Detail selbst entworfenen Hunter einzubinden. Dass man im Editor sogar die Anzahl der Bartstoppeln - ja gut, das ist jetzt etwas übertrieben - festlegen kann, steigert die Identifikation mit dem Helden beziehungsweise der Heldin enorm.