Pentiment - Test / Review

Mehr Buch als Spiel

Test Video Joel Kogler getestet auf Xbox Series X/S

Ein Mysterium, das die Zeit überdauert

Doch nicht nur die Charaktere können fesseln, auch die Geschichte rund um das Bauerndorf Tassig und dessen Abtei können überzeugen. Recht früh im Spiel wird ein Adliger, der die Abtei besucht, ermordet, und euer Lehrmeister, ein alter Mönch, wird des Mordes beschuldigt. Es ist allen klar, dass der vermeintliche Täter unschuldig ist. Aber den wahren Mörder zu finden, erweist sich als fast unmöglich. Stattdessen werdet ihr immer tiefer in eine Verschwörung und die Machenschaften der Kirche verstrickt. Wem ihr dabei helft und wen ihr des Mordes bezichtigt, ist euch und euren Untersuchungen überlassen. Egal was ihr tut: Ihr müsst mit den Konsequenzen leben. Nachdem ihr etwa im ersten Kapitel einen Schuldigen für den Mord gefunden habt, findet ihr euch sieben Jahre später in derselben Abtei wieder, wo sich die Dinge entsprechend eurer Entscheidung geändert haben. Nun stehen die Dorfbewohner und viele eurer ehemaligen Freunde mit dem Kloster im Streit, das ihnen mehr Steuern abknöpfen will. Vielleicht versucht aber der Abt auch nur, das ohnehin schon zerfallende Kloster zu retten und den Mönchen und Nonnen ihr Zuhause zu bewahren.

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Gut und Böse gibt es in "Pentiment" nicht, und oftmals erinnern diese kleinen und grossen Dramen an die besten Quests aus Rollenspielen wie "The Witcher" und eben "Fallout: New Vegas". Jeder in der Geschichte hat einen Grund für seine Handlungen, und wer auf den ersten Blick kalt und herzlos erscheint, mag vielleicht nur seine eigene Familie schützen. Auch wenn die grossen Schritte der Handlung immer ungefähr gleich ablaufen, lohnt sich auch mindestens ein zweiter Spieldurchgang. Denn dadurch, dass ihr an einen festen Tagesablauf gebunden seid, ist es nicht möglich, jede Geschichte und jedes Mysterium zu ergründen. Welchen Quests ihr folgt und welche ihr mangels Zeit ignoriert, hat ebenso einen grossen Einfluss wie eure Entscheidungen in Schlüsselszenen der Handlung.

Etwas ungewöhnlich ist aber, dass einige Mysterien ganz bewusst ungelöst bleiben. Der Mord, den ihr im ersten Akt aufklärt, hat nie einen definitiven Mörder. Vielmehr formt ihr die Wahrheit mit euren eigenen Entscheidungen und Schlussfolgerungen. War es ein Akt der Rache eines Opfers? Oder doch eine Attacke aus den eigenen Reihen? Vielleicht entschliesst ihr sogar, euren alten Lehrmeister hinzurichten, nur damit niemand sonst zu Schaden kommt. Das Spiel nimmt es euch nicht ab, euch moralisch mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, und bietet kein "gutes" oder "böses" Ende. Ihr seht schlicht die Konsequenzen eures Handelns, im Guten wie im Schlechten.

Fazit

"Pentiment" ist ein Spiel, das aus der Zeit gefallen scheint. Verloren irgendwo zwischen Buch und Spiel, zwischen Indie-Titel und AAA-Produktion. "Pentiment" wagt es, nicht nur optisch mit dem Bilderbuchstil aus der Masse zu stechen, sondern reduziert das Gameplay vieler Rollenspiele komplett auf Dialoge und Entscheidungen. Die minimalistische Präsentation passt jedoch wunderbar zur Welt, in die euch das Game entführen will, und nach einem etwas langsamen Start wollten wir gar nicht mehr aufhören, den seltsamen Geschehnissen der Abtei nachzugehen. Wer dem geschriebenen Wort nicht abgetan ist und sich auch auf etwas experimentelle Titel gern einlässt, der sollte "Pentiment" unbedingt eine Chance geben.

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