Pokémon Karmesin und Purpur - Test / Review

Gelungenes Open-World-Abenteuer

Test Video Benjamin Braun getestet auf Nintendo Switch

Durchwachsene Technik oder knapp am Desaster?

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Pokémon Karmesin und Purpur

Mit den Schwächen der Kamera in den Kämpfen hatten wir zumindest eine Macke in der Präsentation von "Pokémon Karmesin und Purpur" bereits benannt. Es ist allerdings bei Weitem nicht die einzige. Selbst ohne die technische Möglichkeit, die Framerate des Spiels anzeigen zu lassen, ist etwa offensichtlich, dass sogar 30 fps nicht konstant erreicht werden. Während wir durch die Welt laufen, poppen ständig Objekte vor uns auf, die auf Echtwelt-Dimensionen übertragen oft nur wenige Meter vor uns liegen würden. Das gilt für wilde Pokémon oder Poké-Trainer genauso wie für Zäune oder NPCs in Städten, deren Animation dort reichlich oft wie in Slowmotion ablaufen. Bei den Umgebungstexturen, insbesondere bei Bergen, aber auch bei den Gebäudefassaden in Städten muss Game Freak auffällig sparen. Wenn wir mit Miraidon hoch über die Welt fliegen, sind in der Ferne nur noch reichlich grobe Konturen zu erkennen. Schon klar: Die Hardware-Leistung der Switch ist begrenzt, viel mehr wäre im 3D-Bereich kaum möglich. Deshalb (und da gleichzeitig die Grösse der Welt im Vergleich zu deutlich kleineren Gebieten in "Arceus" spürbar anwächst) ist die Qualität dennoch okay. Tatsächlich wächst die visuelle Qualität, obwohl gleichzeitig die Menge an kleineren Grafikbugs wie die zuvor erwähnten Clipping-Fehler oder ein immer wieder erscheinender weisser Streifen am Bildschirmrand steigt, für unseren Geschmack sogar noch einmal an - gerade im Vergleich zu der erheblich hässlicheren Naturzone in "Pokémon Schild und Schwert". Ganz glücklich macht uns das Ergebnis aber trotzdem nicht, obgleich die knuffig animierten Pokémon und ihre effektreichen Attacken einen guten Teil der Schwächen ausgleichen können. Es ändert allerdings nichts daran, dass die nicht mal sechs Jahre alte Switch trotz der genannten Kompromisse bei der Grafikqualität mit "Pokémon Karmesin und Purpur" offenkundig überfordert ist. Der eingeschlagene Echtzeit-3D- und Open-World-Pfad von Pokémon gefällt uns wirklich gut. Aber wie zuletzt schon bei "Bayonetta 3": Lange wird Nintendo nicht mehr um einen wirklich leistungsstärkeren Nachfolger herumkommen. Denn "Pokémon Karmesin und Purpur" schrammt objektiv betrachtet zumindest in Teilen nur knapp an einem technischen Desaster vorbei - wenigstens gemessen an der Qualität, die man von Game Freak sonst gewohnt ist.

Fazit

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Pokémon Karmesin und Purpur

Beim Hands-on vor rund einem Monat trauerten wir noch manch einem Feature nach, das Entwickler Game Freak in "Pokémon Legenden: Arceus" etablierte - etwa die Möglichkeit, Pokémon auch ohne Kampf fangen zu können. Nach deutlich mehr als 20 Stunden in Paldea allerdings haben wir keine spezielle Funktion aus dem letzten Serienteil mehr vermisst. Im Gegenteil: Uns gefällt das Open-World-Konzept von "Pokémon Karmesin und Purpur" sogar noch etwas besser! Es ist ein Genuss, die Welt quasi von Beginn an frei erkunden zu können und selbst zu entscheiden, welchen Story-Aufgaben wir uns als Erstes widmen. Das birgt zweifellos auch gewisse Gefahren für die Spielbalance, die die Entwickler jedoch durch das Design der Welt weitgehend clever umschiffen. Es kann zwar vorkommen, dass man für bestimmte Aufgaben bereits viel zu stark ist oder für andere grinden muss, da einem etwa für einen bestimmten Arena-Champ ausreichend hochstufige Pokémon eines bestimmten Typs fehlen. Das ist unterm Strich aber nicht stärker oder sonst irgendwie schlimmer geworden als in den erheblich linearer verlaufenden früheren Serienteilen - eher sogar besser. Das muss man erst mal hinkriegen!

In einem Punkt allerdings dürften sich an "Pokémon Karmesin und Purpur" die Geister scheiden: der technischen Umsetzung. Die Performance geht immer wieder mal in die Knie, Pokémon oder NPCs poppen teils wenige Meter vor uns ins Bild. Und "normale" Grafikfehler treten deutlich häufiger auf als in jedem anderen "Pokémon"-Spiel auf Switch zuvor. Wie gravierend diese und andere Schwächen allerdings tatsächlich sind, liegt wie immer im Auge des Betrachters. Uns gefällt der Stil insgesamt gut, weshalb wir selbst über die teils groben Schwächen bei Performance oder Texturqualität zumeist hinwegsehen können. Nichtsdestoweniger sind diese Schwächen der Grund, warum "Pokémon Karmesin und Purpur" etwas hinter "Pokémon Legenden: Arceus" zurückstecken muss, obwohl uns das spielerische Konzept des Abenteuers in Paldea letztlich mindestens genauso gut gefällt, wenn nicht sogar besser.

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