Virtuelles Gruselkabinett
War "Little Nightmares" schaurig-schön und bisweilen "creepy", geht "Reanimal" einen Schritt weiter. Insgesamt wirkt es weitaus düsterer, erwachsener und brutaler. In der von uns gespielten Preview-Fassung jagte uns ein gewaltiges Spinnenmonstrum, das grotesker kaum sein könnte. Dem Biest fehlen Kopf und Augen; stattdessen ist der fette Körper von dichtem Fell bewachsen, und dort, wo sonst der Schädel sässe, hat es einzig und allein ein gewaltiges Maul. Als wäre das nicht schon schlimm genug, hängen am Ende von dessen langen Beinen auch noch Hände statt Krallen, die in scheinbar jedem Moment nach uns greifen wollen.
Tarsier verzerrt beim Kreaturen-Design förmlich die Realität und spielt mit dem, was wir zu kennen glauben. An anderer Stelle etwa beobachten wir einen Anzugträger, dessen Gliedmassen in bester "Slender Man"-Manier gestreckt wurden. Das Schaf aus dem Trailer, das erst mit einem offensichtlich gebrochenen Genick wiederaufersteht und später dank Armen und Händen Häuser hinaufklettert, beschert uns bis heute eine Gänsehaut. Dunkelheit ist omnipräsent und wird nur gelegentlich durch den Schein der Laterne aufgebrochen. Doch während etwa "Little Nightmares" in der Vergangenheit immer wieder "helle" Momente einstreute, scheint man in "Reanimal" lediglich von einem Albtraum zum nächsten zu springen.
Auch die Kinder wirken in ihrer Darstellung ausgesprochen mysteriös: Wieso trägt eines von ihnen eine zerbrochene Hasenmaske? Und warum hat ein anderes einen Eimer über dem Kopf? Wir wissen es nicht, hoffen aber, dass "Reanimal" dies im späteren Verlauf aufklärt.
Einfach, aber effektiv
Spielerisch konzentriert sich "Reanimal" auf das Wesentliche. Erwartet also keine Upgrade-Systeme, Skilltrees oder anderen Firlefanz. Das Gameplay bewegt sich vielmehr auf Platformer-Passagen mit eingestreuten Umgebungsrätseln, die sehr oft auf Physik-Elementen basieren.
Immer wieder spielt auch das Teamwork eine entscheidende Rolle. In der vorgestellten Demoversion etwa schubst ein Spieler für den anderen eine Dachrinne um und baut somit eine Brücke. An anderer Stelle bleibt eines der Kinder in einem Berg Kartoffeln stecken, sodass das andere es befreien muss. Das klingt jetzt relativ pauschal, doch diese Einfachheit ist in einem Koop-Spiel entscheidend. Die Rätsel soll man binnen kurzer Zeit lösen können, damit man Stück für Stück in der Geschichte vorankommt.
Ein ganz wichtiges Element innerhalb der Inszenierung des Koop-Spiels ist auch die Kameraperspektive. Tarsier verzichtet nämlich ganz bewusst auf einen geteilten Bildschirm. Dieser würde zum einen das Spieltempo verändern. Wenn etwa ständig ein Teilnehmer hinterherhinkt, führt das nicht nur zu Ärger, sondern bricht auch mit der Immersion. Zum anderen erlaubt die sogenannte "Shared Camera" das gezielte Darstellen bestimmter Momente.
"Reanimal" ist kein Sidescroller, sondern variiert die Ansicht immer wieder geschickt. Bei besagter Fluchtsequenz etwa retten sich die Kinder in ein viereckiges Treppenhaus. Die Kamera zeigt das Geschehen von oben und hat somit die Chance, nicht nur die Kinder auf ihrem Weg nach oben darzustellen, sondern auch ihren Verfolger, der förmlich aus den Tiefen des Gemäuers emporkraxelt. Man erschafft so auf der einen Seite ein Gefühl für die Tiefe des Raums und kreiert gleichzeitig einen Eindruck für das Tempo des haarigen Jägers, der uns schliesslich bis auf das Dach scheucht.
Hier folgt eine wunderbare Kamerafahrt, die uns ohne Schnitt direkt von aussen nach innen führt und dabei wie eine Drohne durch ein kleines Fenster fliegt. Es sind letztlich diese Kleinigkeiten, die "Reanimal" besonders machen, und wir sind mehr als gespannt darauf, welche kleinen Designperlen uns Tarsier im fertigen Spiel noch zuwerfen wird. Einen Release-Termin gibt es übrigens zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht.
Ausblick
Zugegeben: Die grosse Gameplay-Sensation ist "Reanimal" nicht, und die Parallelen zu "Little Nightmares" sind mehr als offensichtlich. Das aber interessiert uns herzlich wenig. Denn bereits in der kurzen Hands-on-Session mit der Demo und der dazugehörigen Präsentation jagten uns die Schauer im Sekundentakt über den Rücken. Tatsächlich gab es im Präsentationsraum mit ausgebufften Pressevertretern bei besagter Jagdszene jede Menge Geschrei und noch mehr emotionale Ausbrüche. Die Preview-Version von "Reanimal" war virtueller Grusel vom Feinsten. Wenn Tarsier diese Qualität über die Gesamtspielzeit halten kann, dann steht uns an dieser Stelle ein Survival-Horror-Hit ins Haus.