Resident Evil: Welcome to Raccoon City - Kino-Special (1)

Zurück aus dem Grab

Artikel Joel Kogler

So viele Gesichter, so wenig Zeit

Im Verlauf der Geschichte folgen wir allen vier Protagonisten, wobei sich ihre Wege immer wieder kreuzen. Wer die Spiele kennt, merkt schnell, dass man sich hier sehr nahe an der Vorlage befindet, und kennt daher auch viele der Haupt- und Nebencharaktere bereits bestens. Das ist zugleich die grösste Stärke und Schwäche des Films, denn so treu man der klassischen Spielreihe bleibt, mit gerade mal 107 Minuten ist nicht viel Zeit, um die Hintergründe jeder Figur im Detail zu behandeln - Vorwissen aus den Spielen hilft da enorm. Claire und Leon kriegen zwar einiges an Zeit, um ihre Motivation und Persönlichkeit zu zeigen, Chris und Jill bleiben aber grösstenteils im Hintergrund. Wer die Games gar nicht kennt und all diese Figuren zum ersten Mal sieht, ist sicherlich leicht überfordert, zumal der Film immer wieder neue Wendungen und Action auf die Leinwand wirft.

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Obwohl ein Grossteil der Handlung direkt aus den ersten beiden Spielen übernommen worden ist, schafft es der Film trotzdem auch, die Geschichte sinnvoll zu erweitern. Wir hatten bereits erwähnt, dass Claire und Chris durch das Waisenhaus eine deutlich persönlichere Beziehung zu Umbrella und dessen Machenschaften haben. Wir sehen aber auch weitaus mehr von Raccoon City, bevor es von Zombies überrannt wird. Der erste Akt des Films setzt einige Stunden vor den Spielen an und bietet einen Prolog, der eine bedrückende und gruselige Stimmung aufbaut. Viele der Bewohner der US-amerikanischen Kleinstadt verhalten sich nämlich seltsam, und auch das Tierreich scheint unter dem Einfluss böser Mächte zu stehen. "Resident Evil: Welcome to Raccoon City" funktioniert nicht nur als Videospielfilm, sondern tatsächlich auch als Horror. Einziges Hindernis ist da die Geschichte von "Resident Evil" selbst. Seit dem ersten Spiel 1996 ist "Resident Evil" gleichermassen Gruselspiel und B-Movie. Die Titel sind voll mit überzeichneten Bösewichten, finsteren Megakonzernen und flotten Sprüchen. Da sich der Film Mühe gibt, so viel von der Geschichte zu erzählen wie möglich, gibt es natürlich auch hier immer wieder Momente, wo die Spannung einem Stirnrunzeln weicht und die Handlung ins Klischee abzurutschen droht. Das mag manchen Kinogänger stören, für uns gehört das aber ein Stück weit auch zu "Resident Evil" dazu. Es gibt kein "Resident Evil", bei dem sich der Bösewicht am Schluss nicht noch in ein schleimiges, mutiertes Monster verwandelt, dann aber trotzdem im Handumdrehen noch besiegt wird.

Zu ähnlich oder nicht ähnlich genug?

Bereits im Vorfeld zum Film, mit dem Release des ersten Trailers, war die Stimmung bei den Fans durchaus gemischt. Viele freuten sich darüber, dass endlich ein Live-Action-Film die Handlung der Spiele aufgreift. Ebenso viele wunderten sich jedoch auch über das Casting einiger Rollen. Besonders Leon Kennedy sieht im Film seiner Figur aus den Spielen nicht ähnlich. Im Film selbst ist das aber schnell vergeben, da die Persönlichkeit jedes Charakters sehr gut getroffen wurde, egal ob das Äussere passt oder nicht. Man muss zur Verteidigung des Streifens auch zugeben, dass selbst innerhalb der Videospiele das Aussehen einiger Charaktere stark variiert. Wenn es aber darum geht, ikonische Schauplätze und Szenen aus den Spielen nachzustellen, dann zeigt "Resident Evil: Welcome to Raccoon City", wie viel Leidenschaft in ihm steckt. Fans werden alle paar Minuten mit kleineren und grösseren Anspielungen auf Orte, Dialoge oder Rätsel aus den Spielen überrascht. Langeweile kommt so nicht auf.

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Einziger Negativpunkt in der Hinsicht sind die Spezialeffekte einiger Monster, die definitiv nicht mit vielen modernen Kinofilmen mithalten können. Insbesondere die ikonischen infizierten Hunde sehen aus, als wären sie aus dem Videospiel direkt auf die Leinwand gesprungen, und passen nicht wirklich in die Szenen mit echten Menschen. Die schwachen CGI-Effekte werden jedoch durch überraschend gutes Makeup bei den Zombies etwas ausgeglichen. Insbesondere eine Figur, deren Auftritt wir hier nicht vorwegnehmen möchten sieht auch in der Nahaufnahme überzeugend unmenschlich und verstörend aus. Davon darf's ruhig mehr geben.

Fazit

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"Resident Evil: Welcome to Raccoon City" ist kein Meistwerk, das euch noch Jahre später zum Nachdenken anregt. Wie auch die Spiele geht der Film den schmalen Grat zwischen Action-Blockbuster und B-Movie-Horror. Als Fan der Reihe gab es hier keinen Moment, bei dem ich nicht an den Bildschirm gefesselt war, nur um zu sehen, wie sie eines meiner liebsten Videospiele lebensecht nachstellen. Ob "Resident Evil: Welcome to Raccoon City" als Film für sich allein funktioniert, ist daher für mich nur schwer einzuschätzen. Meiner Ansicht nach ist die grösste Stärke des Films die Leidenschaft für die Vorlage, die immer wieder kreativ ihren Weg in Szenen findet. Wer keinen Bezug zu den Spielen hat, bekommt hier, was auch die alten Filme boten: Einen kurzweiligen Horror-Action-Film, bei dem das Schauspiel eher zweitrangig ist und die Geschichte an den Haaren herbeigezogen wirkt. Wem der Sinn nach unterhaltsamem Popkorn-Kino in der kalten Jahreszeit steht, kann mit diesem Film nicht viel falsch machen.

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