Bob Raikes ist Gründer des Marktforschungsunternehmens Meko Ltd. und Herausgeber und Chefredakteur von Display Daily, einem täglichen News-Blog zum Thema Display-Technik. Wenn Samsung solche Geschütze auffährt, stehen grosse Ankündigungen an - oder es gibt einiges zu erklären. Auf der IFA 22, wo Raikes in einem winzigen, überhitzten Meeting-Raum im "City Cube" auf Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt wartet, ist es zunächst einmal eher Letzteres. Warum beispielsweise setzt Samsung weiterhin auf LCD, bringt zur allgemeinen Überraschung aber trotzdem ein (QD-)OLED-Display auf den Markt? Zuvor aber holt der Branchen-Insider etwas weiter aus. Was treibt den Markt für TV-Geräte überhaupt an? Direkter gefragt: Wie lassen sich die Verbraucher immer wieder dazu verleiten, neue Geräte mit neuen Technologien zu kaufen?
Raikes räumt hier dem Faktor Immersion, also dem Bedürfnis, immer realistischere Bilder geliefert zu bekommen, einen hohen Stellenwert ein. Gerade Gamer sässen zudem immer näher vor immer grösseren Bildschirmen. Die durchschnittliche Bildschirmdistanz beträgt 2,8 m. Aus dieser Entfernung kann man pro 1° Blickwinkel auf UHD-Panels 100 Pixel wahrnehmen, bei 8K sind es 120 Pixel. Damit ist es sogar möglich, die Artikel auf einer Zeitungsseite zu lesen. Nicht, dass man auf seinem nagelneuen 8K-TV Zeitung lesen würde. Aber gerade als Gamer kennt man das Problem unleserlicher Schriften, Menüs und Untertitel. Je detailreicher die Bilder werden, desto mehr müssen aktuelle TVs in der Lage sein, sie auch darzustellen. Wer daran zweifelt, muss sich gedanklich nur kurz nach Night City begeben. In "Cyberpunk 2077" wird evident, dass Videospiele immer textlastiger werden.
Mehr Immersion, bitte!
Die Reise geht also klar in Richtung noch grösserer Diagonalen und 8K. Hier kommt der Wettstreit zwischen OLED und LCD ins Spiel. Ja, die Bildqualität von OLED ist beeindruckend. Und ja, es gibt einen wachsenden Markt für OLED. Der aber ist laut Raikes - man mag das nun bedauern oder nicht - verschwindend klein. Zudem haben die Hersteller seit Jahren das Problem, dass sie draufzahlen, wenn sie ihre High-End-Displays zu an Markt erzielbaren Preisen anbieten. Der Preiskampf bei TV-Geräten und Monitoren ist so hart, dass den Unternehmen nur ein extrem kleines Zeitfenster bleibt, um ihre Produkte noch halbwegs gewinnbringend loszuwerden. Und die für OLED benötigten Transistoren sind nicht nur wesentlich aufwendiger zu produzieren, man braucht auch viel mehr davon. Konkret gesagt bis zu fünf Transistoren pro Subpixel, was bedeutet, dass man für einen 8K-OLED 300 bis 500 Millionen Transistoren benötigt.
Während 8K-Inhalte zunehmend bereitstehen - der Ausbau der Breitbandnetze schreitet voran, Inhalte werden bereits in 8K produziert oder per KI-Upscaling erzeugt, Prime-Video-Anbieter Amazon ist der "8K Association" (8KA) beigetreten, zu der auch Samsung und Panasonic gehören -, gibt es laut dem Display-Experten also schlicht keinen Spielraum, die OLED-Technik in nennenswertem Umfang auf dem Markt zu etablieren. Die Lösung für Samsung: Die wohlgemerkt auf LCD basierenden QLED-Displays in 4K und in 8K werden mit Technologien wie Mini-LED oder Quantum-Dots aufgebohrt, um auf diesem Weg die bestmögliche Bildqualität zu erreichen.
Auf das Thema grössere Diagonale reagiert Samsung unter anderem mit dem QN100, einem 4K-Neo-QLED-TV mit stattlichen 247 cm Bildschirmdiagonale. Die Neo-QLED-Familie ist mit der sogenannten Quantum-Matrix-Technologie ausgestattet. Im Gegensatz zu OLEDs müssen die Pixel in LC-Displays nämlich bekanntlich von hinten beleuchtet werden, da sonst der Bildschirm schwarz bleibt. Diesen Job machen Hunderte von winzigen LED-Lämpchen, die gezielt einzelne Bildzonen beleuchten. Sie sind der Hebel, an dem die Hersteller ansetzen können, um der überragenden Bildqualität von OLED den Schneid abzukaufen.