Game-Design Schweiz - Special

Trocknet das Schweizer Game-Design aus?

Kolumne moritz

Blindflug stand 2,5-mal vor dem Aus

Um neue Projekte zu realisieren und zu überleben, haben wir Geld von grosszügigen Investoren aufgenommen, aber auch unser eigenes Vermögen ins Studio gesteckt. Kommerzieller Erfolg ist für uns schon aus diesem Grund entscheidend. Doch vor allem wollen wir Games produzieren, die uns und vielen anderen Menschen Spass machen. Ich verstehe die Leute nicht, die finden, dass sich Kunst und Kommerz widersprechen. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass der künstlerische Wert eines Werkes nicht über den kommerziellen Erfolg gemessen werden kann. Das Gleiche gilt für Games. Und wenn wir schon hier sind: Der Umkehrschluss - wenn etwas kommerziell nicht erfolgreich ist, ist es Kunst, oder die Leute haben das Werk einfach nicht verstanden - ist nicht nur verfehlt, sondern schlicht arrogant.

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Moritz Zumbühl (vorne links) und Jeremy Spillmann (vorne rechts) haben mit dem Blindflug-Team das Strategiespiel "Stellar Commanders" entwickelt. Im Vordergrund sieht man den Papier-Prototyp des Games. (Gerry Nitsch)

Teil unserer Strategie ist es, dass wir auch Auftragsarbeiten ausführen. So realisierten wir im Auftrag des Dachverbands der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer "Finance Mission Heroes" (2016), ein Serious Game über Finanzkompetenz, oder "Democratia - The Isle of Five" (2020) für den Thinktank Avenir Suisse, bei dem die Mechanismen unserer Demokratie gamifiziert wurden. Wir schauen, dass wir uns mit den Themen identifizieren können. Nur so können wir den Anspruch erfüllen, den wir an unsere Produktionsqualität stellen. Am Ende des Tages sind wir Überzeugungstäter. Wir prostituieren uns nicht, lieber stürzen wir ab.

Leicht ernüchtert habe ich nun Bilanz gezogen und mir Gedanken gemacht, wie wir es die letzten Jahre über die Runden geschafft haben. Es ist das Team, zusammengesetzt aus Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten, Hintergründen und Vorlieben. Ein Game zu entwickeln, ist kein Gitarrensolo, sondern eine hochkomplexe und orchestrierte Angelegenheit, bei der Grafiker, Autoren, Programmierer, aber auch Produzenten und Marketeers, um nur einige zu nennen, mit ihrer unterschiedlichen Expertise einen Beitrag leisten. Und wie bereits erwähnt: Überlebt haben wir auch dank den grosszügigen und risikobereiten privaten Investoren.

Videospiele sind ein Hybridmedium. Es vereint Elemente des künstlerischen Handwerks wie Zeichnen, Malerei, teils sogar Modellieren mit der Entwicklung einer packenden Geschichte und der Musik in sich. Diese klassischen Komponenten werden in den digitalen Raum gehoben, wo sie eine neue, interaktive Dimension erhalten, die Games einzigartig macht.

Es ist auch diese Faszination für Computerspiele, die alle Mitarbeitenden von Blindflug Studios verbindet. Während der Produktion von "Airheart" haben wir gemerkt, dass wir technisch an eine Grenze stossen. Ich machte mich auf die Suche nach Talenten im Ausland, denn die lokalen Nachwuchskräfte der Fachhochschulen und Universitäten werden von grossen Firmen wie Google, Banken und Versicherungen eingestellt, die sehr hohe Löhne zahlen können. Da hat ein Game-Studio keine Chance. Ich schaute mich zu Beginn in Rumänien, Spanien und Polen um. Die polnisch-schweizerische Kulturdifferenz erschien mir nicht zu gross, und die zwischenmenschliche Komponente gab dann den Ausschlag. Und: Polnische Game-Entwickler verfügen über grosses technisches Know-how, Kreativität und vor allem Biss, der vielen in der Schweiz abgeht.

So gerüstet, bereiteten wir uns gewissermassen auf unseren "last stand" vor und konzipierten "First Strike 2" als Multiplayer-Game. War das erste "First Strike" auf Einzelspieler ausgerichtet, folgten wir dieses Mal dem Wunsch unserer Gemeinschaft, die immer wieder nach der Möglichkeit eines gemeinsamen Spiels im Mehrspielermodus fragte. Dank der Unterstützung der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia konnten wir - wie Jahre zuvor - zur Game Developers Conference in San Francisco fliegen. Der Wert dieser Unterstützung, die eine internationale Vernetzung und Erschliessung der dazugehörenden Märkte erst richtig ermöglicht, ist immens. Jeremy und ich präsentierten "First Strike Multiplayer", doch obschon das Interesse bei den Verlagen vorhanden war, wollte niemand den Titel ins Portfolio aufnehmen. Erschöpft setzten wir uns ins Flugzeug, das uns zu einem Meeting in Los Angeles bringen sollte, wo wir einen letzten Rettungsversuch unternehmen wollten. Doch schon nach einer guten Stunde landeten wir nahe Las Vegas. Blindflug (ver)endet in der Wüste. Die Symbolik war erschlagend.

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