Game-Design Schweiz - Special

Trocknet das Schweizer Game-Design aus?

Kolumne moritz

Apple klopfte an

Zurück in Zürich gähnte uns ein Loch in der Kasse an, aber dann geschah etwas völlig Unerwartetes: Apple klopft an. Sie wollen "First Strike Multiplayer" exklusiv als Launch-Titel für ihre kuratierte Game-Plattform Arcade. Unter dem Namen "Stellar Commanders" wird unser Game ein Bestseller. Auf Steam läuft der Verkauf harzig, dafür ist "Airheart" aus dem Dornröschenschlaf erwacht und beginnt sich zu rechnen. Dank dem Erfolg von "Stellar Commanders" können wir auch neues Kapital aufnehmen und unsere neuen Projekte nach eigenem Gusto weiterentwickeln.

Die Game-Industrie ist - ähnlich wie das Kino-Geschäft - ein "hit driven business". Nur die wenigsten Titel rentieren sich unter dem Strich. Wenn ein Game floppt, kann dies das Aus für das Studio bedeuten. Pro Woche werden allein in Apples App Store rund 4'000 Titel eingereicht, die veröffentlicht werden wollen! Ähnlich sieht es bei Googles Play Store aus, in dem die Game-Sparte im Jahr 2020 in Bezug auf die Downloads gegenüber 2019 um über 50 Prozent zugelegt hat. Neben dem Mobile-Markt wäre es schön, auch PC- und Konsolenspieler zu bedienen, aber das sprengt in der Regel den Budgetrahmen um ein Vielfaches.

Um in diesem hoch kompetitiven Umfeld zu bestehen, braucht es nicht nur kreative Köpfe, die das Computerspiel entwickeln, sondern auch solche, die es unter die Leute bringen. Diese unterschiedlichen Rollen bedingen ein Vertrauen in die Fähigkeiten der Teammitglieder. Während ich Offerten verfasste und an potenzielle Kunden herantrat, machte sich Jeremy Gedanken zur spielerischen Umsetzung eines Themas. So hat er in den Jahren einiges mehr an Business-Know-how gewonnen, während ich mich der Designseite näherte.

Ein massgebender Partner auf dem nicht einfachen Weg, ein Schweizer Game-Studio aufzubauen, ist Pro Helvetia. Dabei geht es nicht primär um die Unterstützungsbeiträge für die einzelnen Titel, sondern um die Vernetzung mit Fachleuten - sei es auf internationalen Konferenzen und Messen oder auch durch Know-how-Vermittlung vor Ort. An dieser Stelle gebührt auch der Stadt Zürich ein grosser Dank, die zusammen mit Pro Helvetia das Zürcher Game-Festival Ludicious und damit eine wichtige Plattform für das hiesige Game-Schaffen ermöglicht hat. Dass das allseits beliebte und für das Networking wertvolle Event Corona-bedingt seine Tore schliessen musste, ist mehr als schade.

Durch die Teilnahme an den diversen Game-Events haben wir auch Jason Della Rocca, den ehemaligen Präsidenten der International Game Developers Association IGDA und heutigen Game-Consultant, kennengelernt. Mit ihm verbindet uns bis heute eine enge Zusammenarbeit. Obschon sein Herz für Indie-Games schlägt, ist er offen für neue Geschäftsmodelle wie Abonnements, Ingame-Käufe oder Free-2-Play-Konzepte für Mobile-Games. Bei letztgenanntem Punkt, der von Kritikern auch Pay-2-Win genannt wird, ist das Grundspiel gratis. Durch Mikrotransaktionen können sich die Spielenden Vorteile kaufen. So können Figuren oder deren Ausrüstung verstärkt werden und anderes mehr. In der lokalen Entwicklerszene ist dieses Modell als kommerzielle Abzockerei verpönt. Das muss nicht so sein. Doch das Know-how über dieses Geschäftsmodell ist in der Schweiz noch gering - nicht zuletzt, weil es an unseren Hochschulen und anderen Bildungsinstitutionen kaum vermittelt wird.

Diese vermeintlich ehrenvolle Haltung bringt uns nicht weiter als Game-Entwicklungs-Standort. Wir müssen vom hohen Ross heruntersteigen und uns dem Markt stellen. Die Schweiz hat exzellente Fachleute für die Bereiche Entwicklung, Design und Kunst, aber kaum für die Segmente Produktion und Marketing-Wissen. Diese Schwachstellen gilt es auszubügeln, wenn wir eine eigenständige Industrie aufbauen wollen, die selbsttragend sein kann. Wer ständig mit dem Rücken zur Wand steht, weil ihm die finanziellen Mittel fehlen, ist nicht frei in der Entscheidung, und das färbt auf das Werk ab.

Nun greife ich schon vor, denn dazu folgt mehr im nächsten Text. Dort will ich Folgendes behandeln:

  • Was hat die Förderung in der Schweiz erreicht?
  • Wie sieht ein mögliches Fördermodell für die Schweizer Game-Entwicklungs-Szene aus?
  • Wie können Filme- und Game-Schaffende zusammenarbeiten?

Bis es so weit ist, bin ich natürlich extrem auf euer Feedback gespannt.

(Hey, und was mir auch noch wichtig ist: Danke an euch alle da draussen, die an uns geglaubt haben, uns unterstützt und natürlich die letzten Jahre unsere Spiele gespielt haben. Danke an das beste Team der Welt und unsere verrückten und unbezahlbaren Investoren!)

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