Keiichiro Toyama ist der Designer und Director von "Silent Hill" und "Siren". Neben diesen zwei ikonischen Horrorgrössen hatte er diese Position ebenfalls bei der Entwicklung der beiden "Gravity Rush"-Spiele inne. "Gravity Rush 2", an dem er als letztes gearbeitet hat, erschien jedoch vor gut sieben Jahren. Seither hat er an einer neuen IP gearbeitet, mit der Hilfe vom von ihm gegründeten Bokeh Game Studio.
Der neue Titel hört auf den Namen "Slitterhead", kombiniert Elemente von all seinen vorherigen Spielen und wurde von uns auf der Xbox Series X auf Herz und Nieren getestet.
Ein Protagonist unter vielen Protagonisten
Hyoki ist ein Wesen, das weder Form noch Erinnerungen besitzt. Es wacht in Kowloon auf, und sein einziger Gedanke ist, alle Slitterheads auszulöschen. Dazu kann er von fast allen Menschen Besitz ergreifen und ihr Blut als Waffe benutzen. Hat er erst mal die Kontrolle über einen Menschen ergriffen, nutzt er dessen Lebenssaft, um Waffen in seinen Händen entstehen zu lassen oder spezielle Fähigkeiten auszulösen. Dem Hyoki ist es dabei egal, ob ein Mensch diesen Vorgang überlebt oder nicht, denn schliesslich geht es einzig darum, die Slitterheads zu töten. Diese Wesen können Menschen nachahmen und nutzen diese Fähigkeiten, um ihnen das Gehirn aus dem Kopf zu saugen. Woher sie kommen oder was ihr Ziel ist, spielt für Hyoki keine Rolle, denn das Einzige, was zählt, ist ihre Auslöschung.
Hyoki selbst ist als Hauptfigur kaum erwähnenswert. Es ist mal wieder ein Protagonist ohne Erinnerung an sein früheres Dasein, dem es nur darum geht, alles Böse zu vernichten. Spannend wird es durch die sogenannten "Seltenheiten". Das sind Menschen, die sich aus irgendeinem Grund besser mit Hyoki verbinden können. Im Vergleich zu normalen Leuten merken sie, wenn von ihnen Besitz ergriffen wird, sie spüren Hyoki und haben eine Verbindung zu der formlosen Kreatur. Dabei nimmt Hyoki immer einen Teil dieser Menschen in sich auf, während die Seltenheiten damit klarkommen müssen, dass sie von einer merkwürdigen Figur kontrolliert werden, um ekelhafte Monster zu töten. Obendrauf kommt ein interessanter Plot um die titelgebenden Slitterheads. Zu Beginn erscheinen sie als blutrünstige Monster, die aus Spass an der Freude die Bevölkerung von Hongkong leersaugen. Im Verlauf der Story, gepaart mit dem Weg der unterschiedlichen Seltenheiten, ergibt sich jedoch eine weitaus grössere Story. Sind alle Slitterheads böse? Und woher kommen sie überhaupt? Ausserdem kommt auch noch ein Zeitreise-Element dazu, was die Geschichte durchweg spannend macht und zu den Stärken von “Slitterhead” gehört.
Wir brauchen mehr Blut!
Trotz Toyamas Survival-Horror-Wurzeln ist "Slitterhead" vielmehr ein Action-Game mit Horroreinflüssen. Wie bereits erwähnt, kann Hyoki das Blut der Menschen nutzen, um Waffen entstehen zu lassen, mit denen er die Monsterbrut der Slitterheads bekämpft. Übernimmt man normale Leute auf den Strassen, ist das eine schwache Keule, die nur mässigen Schaden verursacht. Im Verbund mit den Seltenheiten bekommt man jedoch Waffen, die von ihrem Leben inspiriert sind. Ein Arzt erhält beispielsweise ein übergrosses Skalpell, das wie ein Schwert geschwungen wird. Das Kampfsystem an sich ist relativ simpel. Mit der X-Taste wird die Waffe geschwungen, und über das Steuerkreuz sowie den rechten Trigger aktiviert man Skills, die je nach Seltenheit anders sind. Einige bieten offensive Attacken, andere heilen und unterstützen oder haben Einfluss auf Menschen in der Umgebung. Weil all diese Dinge jedoch durch das Blut der Menschen ausgelöst werden, verringert sich durch deren Einsatz gleichzeitig die Gesundheit. Je mehr Spezialangriffe genutzt werden, desto schwächer wird man. Man kann zwar per Schultertaste das Blut vom Boden um sich herum aufsaugen, um sich zu heilen, das dauert allerdings einen Moment und hinterlässt die sterbliche Hülle komplett schutzlos. Feindangriffen kann man aber nicht nur ausweichen oder sie abwehren, sondern sie auch parieren. Dazu muss man, wenn man von einer Attacke getroffen wird, den rechten Stick in die entsprechende Richtung bewegen. Das kann sich zu Beginn des Spiels recht anstrengend anfühlen, wird jedoch schnell zur zweiten Natur. Eine Bildschirmanzeige hilft einem dabei, zu sehen, aus welcher Richtung der gegnerische Angriff kommt, allerdings nicht, mit welchem Timing man ihn parieren muss. Hat man oft genug mit einer Seltenheit Angriffe pariert, wird die Zeit verlangsamt, und man kann für diesen Zeitraum so richtig viel Schaden austeilen. Nervig sind die unblockbaren Attacken der Slitterheads. Diesen kann man theoretisch zwar ausweichen, im Spiel selbst fühlt sich das aber einfach nicht gut an. Sie haben oft eine grosse Reichweite oder einen ordentlichen Radius, was es teilweise fast unmöglich macht, aus der Gefahrenzone zu kommen. Besonders wenn man in Innenräumen kämpft, rücken neben der nicht gerade idealen Kameraperspektive diese Probleme stark in den Fokus.
Abseits der Kämpfe wird das Gameplay durch Stealth-Abschnitte und Platforming-Passagen bzw. Verfolgungsjagden aufgelockert. Schleichen fühlt sich ebenfalls gar nicht gut an. Man hat keine Möglichkeiten, mit der Umgebung oder mit Gegnern zu interagieren, sondern muss lediglich darauf warten, dass sich eine Wache bewegt oder man sich hinter einem Objekt verstecken kann. Es ist träge und macht wenig Spass. Dass man Besitz über andere Menschen ergreifen kann, ist dafür umso interessanter. In Kämpfen kann man dadurch die Kontrolle über jemanden übernehmen, der sich hinter einem Feind befindet, um letzterem in den Rücken zu fallen oder einer Seltenheit Zeit zu geben, sich zu heilen bzw. eine starke Fähigkeit auszulösen. Manchmal ist es schwierig, in der Hitze des Gefechts über die richtige Person die Kontrolle zu erlangen. Zum Glück wird in der Geisterform jedoch die Zeit verlangsamt und hilft einem dabei sehr. Man kann sich damit aber auch blitzschnell durch die Welt bewegen, wenn man von einer Person zur nächsten springt. Viele der erwähnten Verfolgungsjagden sind auch genau darauf ausgelegt. Man springt mit den eher mässigen Sprüngen auf ein Dach, übernimmt die Kontrolle über jemanden, der auf einem Balkon ist, um dann direkt die Kontrolle über jemanden auf dem nächsten Dach zu erlangen. Es fühlt sich gut an und wurde exzellent inszeniert.