Wir kennen alle die typischen Biome, in die uns Spiele schicken. Ein giftiger Sumpf, eine Wüste voller Skorpione, eine Stadt als Metalldschungel, durch den wir uns manövrieren müssen. "South of Midnight" entsendet uns in den selten besuchten "Deep South" genannten Teil der USA. In der Haut von Hazel Flood helfen wir Menschen und Tieren, ihr Trauma mithilfe von Magie zu entwirren und sie zu heilen. Ein Soundtrack, der unter die Haut geht, eine geschmeidige Steuerung und Momente, die Eindruck hinterlassen, schaffen es, jegliche Schwächen im Hintergrund versinken zu lassen.
Hazel Flood, angehende Weberin
Die Stadt Prospero ist in Aufruhr, weil wieder einmal ein Hurrikan angekündigt ist. Für die Bewohner kein allzu grosses Thema, kommt es doch immer wieder mal dazu. In Prospero wohnen unter anderem Hazel Flood und ihre Mutter Lacey. Während Mutter Lacey noch die letzten Sachen packt, bevor sie sich in Sicherheit begeben, ist Hazel bei ihren Nachbarn unterwegs, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Doch dann geschieht das Schlimmste: das Flood-Haus wird von den Fluten mitgerissen, und Lacey verschwindet vor Hazels Augen in ihnen. Doch während Hazel versucht, ihre Mama zu retten, erwachen in ihr die magischen Kräfte einer Weberin, die sie vor dem sicheren Tod retten.

Dank dieser Kräfte kann sie die Grosse Tapisserie sehen, den Teppich und seine Fäden, aus denen die Welt gemacht ist. Nicht nur das: Sie kann auch das Trauma und die Wunden in der Tapisserie aufwickeln und damit heilen. Auf der Suche nach ihrer Mutter beginnt somit ein gut zehnstündiges Abenteuer, in dem man auf exzentrische Menschen trifft und versucht, Kreaturen aus der Folklore zu retten.
Menschen und ihre Wunden
Im Kern von "South of Midnight" steht die Reise von Hazel. Sowohl die Reise, die sie durch den Süden macht, als auch jene in ihrem Inneren. Denn der Hurrikan hat nicht nur das Land aufgewühlt, sondern auch jede Menge Gefühle und die Vergangenheit selbst. Während die Handlung an sich eine positive Note hat, sind die kleinen Geschichten in den verschiedenen Gebieten der Story in der Regel ziemlich deprimierend. Es geht um verstorbene Geschwister, den Missbrauch von Kindern und generell ein Gefühl, das man in der Vergangenheit nicht loslassen kann. In gewissen Momenten wird fast zu sehr auf die Tränendrüse gedrückt, und manche dieser Geschichten haben nicht gleich viel Luft zum Atmen, wodurch sie fast schon an Manipulation grenzen. Besonders dank des fantastischen Soundtracks und der herausragenden Darbietungen der Darsteller schafft es das Spiel jedoch in den meisten Fällen daran vorbei.

Die Gestaltung der Welt ist ein weiteres Highlight. Der gotische Stil des Deep Souths, gepaart mit einer versteckten magischen Welt, die doch in der Realität verwurzelt ist, ist ein grosser Erfolg. Seien es die verschiedenen Pflanzen, die überall wachsen, die Tierwelt, die um einen herum lebt, die Gebäude und die Menschen, auf die man trifft: Es fühlt sich authentisch an. Die emotionale Reise von Hazel ist menschlich, ihre Aktionen und Reaktionen nachvollziehbar und das Geschehen trotz der magischen Einflüsse echt.
Geister gehören aufgewickelt
Während die Geschichte einen auf eine Reise mitnimmt, bleibt das Gameplay zum grössten Teil fest in der Materie der Videospiele verankert. Es ist grob gesagt in zwei Aspekte aufgeteilt: Kampf und die Durchquerung der Spielwelt mit kleineren Puzzles.
Das Kampfsystem erfüllt seinen Zweck, ist jedoch der schwächste Punkt von "South of Midnight". Man kämpft gegen verschiedene Geister, die alle bekannten Archetypen von Gegnern folgen. Schnelle Nahkämpfer; Fernkämpfer, die hohen Schaden austeilen können, aber nicht viel vertragen; Nester, aus denen unablässig neue Kreaturen erscheinen, bis sie erledigt sind; Riesen, die zwar langsam sind, allerdings mächtig zuhauen. Während das Design der Geister überzeugt, sind die Gefechte hauptsächlich Lückenfüller, die die Spielzeit strecken. Man verfügt über eine Nahkampfkombo und magische Kräfte, mit denen man Feinde zu sich zieht, wegstösst, Flächenschaden verursacht oder die Widersacher für einen kurzen Moment zu Verbündeten macht. Die Kämpfe fühlen sich keinesfalls schlecht an, können einen aber auch in keiner Weise vollends überzeugen.

Die wenigen Bosskämpfe, die man bestreiten muss, fühlen sich dabei deutlich unterhaltsamer an. Sie sind abwechslungsreich, auch wenn sie sich ebenfalls wie jeder bereits da gewesene Bosskampf anfühlen. Dank ihrer Präsentation und des überragenden Soundtracks fällt dies in diesen Begegnungen jedoch weniger auf.
Viel besser kommt die Bewegung in der Spielwelt herüber. Dank ihrer magischen Begabung kann Hazel einen Doppelsprung ausführen, mit einem Dash durch die Luft sausen und ein ätherisches Tuch beschwören, mit dem sie nach den Sprüngen gleiten kann. Im Verlauf des Spiels erhält man noch zusätzliche Fähigkeiten, mit denen man sich fortbewegen kann, und die Kombination all dieser Fähigkeiten fühlt sich fantastisch an. In regelmässigen Abständen muss man in einer Art Verfolgungsjagd vor einem unbekannten Feind fliehen, was jedes Mal eine wahre Freude ist. Sowohl die Darstellung als auch das Feeling sind erstklassig.