Andor Staffel 2 - Special / Interview

Warnung vor dem Faschismus

Interview Video Steffen Haubner

Die zweite Staffel der gefeierten Serie wird zum Mahnmal gegen den Faschismus - auch wenn es Showrunner Tony Gilroy und Darsteller Stellan Skarsgård so nie formulieren würden.

Ob ein Kunstwerk einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, hängt nicht nur von seiner Qualität ab - es muss auch den Nerv der Zeit treffen. Vom Urheber selbst ist das nicht planbar, mitunter geschieht es vollkommen unvorhergesehen, vielleicht sogar ungewollt. Und doch kommt es vor, dass ein Künstler, man muss ihn dann wohl "visionär" nennen, unbewusst Strömungen aufgreift, die sich Jahre später in historischen Ereignissen manifestieren und das Werk fast schon hellseherisch erscheinen lassen. Mehr noch als die erste Staffel von "Andor" aus dem Jahr 2022 befasst sich "Andor 2" mit der zunächst schleichenden, dann immer ungenierter und skrupelloser zutage tretenden Machtergreifung und mit den Möglichkeiten, sich ihr zu widersetzen. Wie weit muss man dunkle Kräfte in sich selbst entfesseln, um wirksam Widerstand leisten zu können? Und was ist der Preis dafür?

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Star-Wars-Filme

Klar, das ist eine zentrale Frage des "Star Wars"-Universums. Aber nie wurde sie so konsequent gestellt wie in "Andor", kaum eine andere Figur illustriert sie so anschaulich wie die des Luthen Rael, verkörpert vom schwedischen Charakterdarsteller Stellan Skarsgård. Auch der Titelheld Cassian Andor (Diego Luna) ist kein Ritter in strahlender Rüstung, sondern wurde in eine Rolle hineingeboren, die er mitunter nur widerwillig ausfüllt - ganz einfach, weil ihm keine andere Wahl bleibt. Und möglicherweise ist es genau das, was ihn zu einem echten Vorbild und glaubwürdigen Anführer macht. Am Ende der ersten Staffel hatte er sich endgültig den Rebellen angeschlossen und damit Luthens Kommando unterstellt, der seinem inzwischen schon legendären Bekenntnis ("I've made my mind a sunless space. I share my dreams with ghosts.") in Staffel 2 noch konsequenter als bisher Ausdruck verleiht. Aber ist es wirklich Zufall, dass all das so perfekt in unsere Zeit passt?

"Ich bin kein Hellseher", stellt Andor-Showrunner Tony Gilroy klar. Die Grundlagen der Serie seien vor "vier, fünf oder sechs Jahren" gelegt worden, die Hollywood-Streiks im November 2023 legten zusätzliche Steine in den Weg. Davor habe er sich allerdings bereits seit Jahrzehnten als Hobby mit der Menschheitsgeschichte beschäftigt.

"Ich war einfach fasziniert davon, über Revolutionen, Politik und Unterdrückung in der Geschichte zu lesen. So hatte ich mir, wie ich meinte, viel nutzloses Wissen über alles Mögliche angeeignet, von Oliver Cromwell bis hin zur französischen Résistance. Und ich dachte, ich hätte eigentlich gar keinen Ort, wo ich es anwenden könnte." Traurige Tatsache sei nun mal, dass Frieden und Wohlstand in der Geschichte selten seien. Unterdrückung und Revolution wiederholten sich ständig, die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch. "Die Technologie ändert sich, und die Spieler ändern sich. Aber das Playbook ist im Wesentlichen dasselbe."

"Einschränkungen sind gut für die Kreativität."

Das "Playbook", das der Geschichte von Cassian Andor zugrunde liegt, ist schon seit 2016 bekannt. In "Rogue One: A Star Wars Story" ist der Todesstern grausame Wirklichkeit geworden. Cassian und die Rebellen stehlen die Baupläne der galaktischen Superwaffe, um eine von deren Konstrukteur Galen Erso (Mads Mikkelsen) heimlich eingebaute Schwachstelle ausfindig zu machen. Die Ereignisse münden schliesslich in "Stars Wars: Epidode IV - Eine neue Hoffnung" (1977) und in der Schlacht von Yavin. Die auf den Kopf gestellte Chronologie ist eine Herausforderung für jeden Drehbuchautor. Wie stellt man es bloss an, Funken aus einem Stoff zu schlagen, dessen Ausgang schon weithin bekannt ist? Die Herausforderung, einen "Star Wars"-Film oder eine "Star Wars"-Serie zu realisieren, sei so gewaltig, dass man für jede Grenze dankbar sei, die einem von aussen gesetzt würde, erklärt Gilroy. "Ich glaube wirklich, dass Einschränkungen und manchmal auch Dinge, die zunächst einschränkend erscheinen, wirklich sehr, sehr hilfreich für Kreativität und Vorstellungskraft sind."

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Zu diesen Einschränkungen gehört auch der bereits erwähnte Autorenstreik, der Gilroy zu sechs Monaten Untätigkeit zwang. "Ich war wirklich komplett draussen, und mir wurde klar, dass mir die Hände gebunden waren. Nach einem halben Jahr kam schliesslich mein Bruder (Dan Gilroy, der ebenfalls am Drehbuch beteiligt ist - SH) zu mir nach New York mit dem ganzen Material, alles komplett unstrukturiert und chaotisch. Und wissen Sie was? Das war ein echter Glücksfall! Ich hatte die Gelegenheit, mir die gesamte Staffel nach sechs Monaten, in denen ich sie aus dem Kopf hatte, an zwei Tagen mit den frischesten Augen anzusehen, die ich je auf ein Projekt gerichtet hatte. Ich sage es nur ungern, aber das war unglaublich wertvoll." Das Ergebnis ist eine Serie, die mehr Drama und Spionage-Thriller als Science-Fiction-Epos ist. "Andor 2" lotet die Charaktere, ihre Motivationen und Abgründe mit einer Tiefe aus, die es praktisch unabdingbar macht, sich die "Nachfolger" noch mal anzuschauen. Und so viel sei vorab verraten: Man wird sie mit anderen Augen sehen. Erneut präsentiert sich Gilroy als Meister der psychologischen Vertiefung und der mit leichter Hand hingeworfenen Andeutungen, die sich im Kopf des Zuschauers nahtlos in jenes gewaltige Panorama einfügen, zu dem "Star Wars" inzwischen geworden ist.

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