Token Economy (Brettspiel) - Test / Review

Tokens statt Monopol

Test Alain Jollat getestet auf Brettspiele

Fazit

Mit "Token Economy" wollen die Spiel-Erfinder gemäss eigener Aussage einen einfachen Zugang zu den Themen Tokenisierung und Kryptowährungen bieten und spielerisch Wissen vermitteln. Diesen Anspruch erkennt man im fertigen Spiel sehr gut - nur leider stolpert es über die eine Ecke oder andere Kante, die eine erfahrene Redaktion eines grösseren Spieleverlags abgeschliffen oder geglättet hätte.

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Zu Beginn erschlägt einen die Anleitung. Sie ist ein beidseitig bedrucktes Faltblatt, das so gross ist wie der Spielplan selber. Während des Spiels kurz eine Regel nachschlagen, ist umständlich. Auf der einen Seite findet man nacheinander die einzelnen Spielkonzepte aufgeführt, auf der Rückseite wird auf Details eingegangen. Den grössten Teil der Rückseite nehmen aber die Sponsoren ein, die dort vorgestellt werden und im Spiel ebenfalls als Assets verfügbar sind. Den übrigen Platz hat man zur Erklärung der Fachbegriffe verwendet, die auf den Quizkarten abgefragt werden. Auch auf die Vorteile, wenn man die Nichtsponsoren/Firmen-Assets tokenisieren würde, und wie das vor sich gehen könnte, wird eingegangen.

Das Tokenisieren von Assets ist zudem ein Mechanismus, der vor allem dem Besitzer des Assets einen spielerischen Vorteil bringt. Er erhält neues Geld - und jedes Mal einen Bonus, wenn er über das Startfeld läuft. Als Investor kann ich nur darauf hoffen, dass genügend Spieler "Miete" bezahlen müssen und ich so langsam mein Geld zurückerhalte. Dies passiert aber nur bei einer grossen Anzahl an Spielern und mit entsprechend vielen Spielrunden. Daher ist es spielerisch gesehen sinnvoller, keine Tokens von anderen zu kaufen. Und das torpediert ja dann wieder eines der zentralen Alleinstellungsmerkmale von "Token Economy". Bei den sechs Runden, die für ein Spiel vorgeschlagen werden, kann jeder Mitspieler bei einem in der ersten Runde gekauften und sofort tokenisierten Asset höchstens fünf Mal auf dem Asset landen und Miete bezahlen. Und das auch nur im Idealfall und bei Würfelglück. Ob sich das finanziell für den Investor lohnt? Meistens eben nicht.

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(Apropos Runden: In der Anleitung ist nicht klar, was sechs Runden sind. Im Normalfall - und praktisch bei jedem anderen Brettspiel auf dieser Welt - gilt als Runde, wenn jeder Spieler einmal einen Zug machen durfte. Wenn jeder Spieler aber sechs Mal würfelt, schafft er es vermutlich nicht einmal um das Spielfeld. Daher sind wir bei unseren Tests davon ausgegangen, dass eine Runde als Umrundung des Spielplans gilt. Ansonsten würde sich das Investieren in Tokens absolut nicht lohnen.)

Ein ebenfalls fragwürdiger Mechanismus: Man muss sich für den Kauf oder Verkauf von Kryptowährungen entscheiden, bevor man die Kurse sieht. Das mag zwar mit den sehr volatilen Kursen und entsprechend hohen Sprüngen der Kryptowährungen erklärt sein, ergibt jedoch intuitiv keinen Sinn. Wenn ich meine Bitcoins verkaufen will, dann aber sehe, dass der Kurs miserabel ist, warte ich unter Umständen noch etwas (oder kaufe sogar noch welche). Aber nicht so bei "Token Economy".

Und was bei unseren Spielrunden auch nicht gut angekommen ist: die Quizfragen. Wer sich vorher nicht mit Kryptowährungen und der Blockchain auseinandergesetzt hat, wird keine Chance haben, die Fragen korrekt zu beantworten. Wissensvermittlung hätte vermutlich mit Multiple-Choice-Fragen besser funktioniert. So muss man jedem Spieler die Anleitung vor dem Spiel in die Hand drücken, damit er sich das Glossar einprägen und die Fachbegriffe auswendig lernen kann.

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Sollte ein Spieler durch reines Würfelglück beide Börsen besitzen, hat er für den Rest des Spiels einen Riesenvorteil. Er kassiert doppelte Gebühren - bei jedem Kauf und Verkauf von Kryptowährungen. Und beim Handel von Tokens. Dies zeigt zwar sinnvoll auf, wie gefährlich es wäre, wenn nur noch ein grosser Player zentralisiert die Tokens verwaltet. Dem Brettspiel tut dies jedoch nicht besonders gut, zumal hier reines Würfelglück bestimmt und keinerlei taktische Entscheidung.

Für den Preis von über 60 CHF kann ich "Token Economy" leider nicht empfehlen. Dies liegt sicherlich nicht an der Qualität des Spielmaterials, wenngleich der Umfang an beiliegendem Material im Vergleich zu anderen Spielen mager ausfällt. Das Design mag zwar etwas gewöhnungsbedürftig sein, passt meines Erachtens aber gut zur Thematik von vernetzter Technologie und dem, wie man sich eine Blockchain vorstellen könnte. Während sich die Macher zweifelsohne bemüht haben, die komplexen Themen als Spiel aufzuarbeiten und zugänglich zu machen, sind die Mechanismen, die sie dafür ausgewählt haben, kein Garant für unterhaltsame Spielrunden. So leid es mir für all das investierte Herzblut der Spiel-Erfinder tut: Niemand unserer Testspieler wollte das "Token Economy" erneut spielen.

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