Twin Mirror - Test / Review

Krimispannung mit Remedy-Flair

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Das neue Adventure von "Life is Strange"-Entwickler DONTNOD kann man nicht in eine Schublade stecken. Hier erwartet die Spieler nicht nur ein spannender Krimi mit vielschichtigen Charakteren, sondern auch ein Drama, in dem ihr mit euren Entscheidungen dabei helft, die emotional gebeutelte Hauptfigur aus seiner psychischen Zwickmühle zu befreien.

Heimweh hat sicherlich jeder von uns schon einmal empfunden. Kehrt man dann tatsächlich zu seinen Ursprüngen zurück, erlebt man jedoch nicht unbedingt ein Hochgefühl. Bei Samuel Higgs ist Letzteres bereits vorprogrammiert. Denn die Hauptfigur aus dem 3D-Adventure "Twin Mirror" hat freiwillig seine Heimat verlassen und wollte eigentlich nie wieder in die Bergarbeiterstadt Basswood zurückkehren. Zwei Jahre liegt Sams Weggang nun zurück, und der Journalist hatte gute Gründe dafür. Sein Heiratsantrag an Freundin Anna scheitert. Nach der Veröffentlichung seines Zeitungsartikels, der zur Schliessung der einst sprudelnden Mine und damit zu Massenentlassungen in seiner Heimatstadt führte, gilt Sam in Basswood zudem für die meisten als Persona non grata. Doch als Sams ehemals bester Freund Nick bei einem Autounfall ums Leben kommt, beschliesst er dennoch seine zwischenzeitliche Rückkehr, die ihn nicht zuletzt auch innerlich mit den Geistern der Vergangenheit konfrontiert.

Spannende Charakterstudie

Sams Abenteuer beginnt mit einer Autofahrt durch Arizona auf dem Weg zu Nicks Beerdigung. Er möchte seinem Freund, zu dem er ebenfalls vor zwei Jahren jedweden Kontakt abbrach, die letzte Ehre erweisen. Bis zum Friedhof schafft Sam es jedoch gar nicht erst, sondern macht Halt an einem Aussichtspunkt, von dem aus man das in einem Talkessel liegende Basswood aus der Ferne beobachten kann. Erinnerungen kommen in ihm hoch - an die Stadt, an Nick und an seine Ex-Freundin Anna, der er an jenem Aussichtspunkt einst einen Heiratsantrag machte. Sam erlebt all das allerdings anders als andere. Er zeigt kaum emotionale Reaktionen. Stattdessen laufen die Erinnerungen wie ein Film vor seinem geistigen Auge ab, während er sich dafür in seinen sogenannten Gedankenpalast zurückzieht. Tief hat Sam dort all seine Erlebnisse vergraben, denn wenn er eines kann, dann ist es, Dinge mit sich ganz allein auszumachen. Oder doch nicht ganz: Immer wieder erscheint Sam ein seriös anmutendes Abbild seiner selbst, das ihn berät und anscheinend versucht, seine Entscheidungen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Ob das sogenannte Double in "Twin Mirror" eher dem sprichwörtlichen Engelchen auf der Schulter oder dem teuflischen Gegenpart entspricht, bleibt lange Zeit nebulös. Es obliegt dem Spieler, auf das offenkundige Hirngespinst zu hören und von ihm leiten zu lassen oder Sam unabhängig oder gar bewusst konträr entscheiden zu lassen.

Screenshot

Das Double ist jedoch nur ein Ausdruck von Sams psychischer Instabilität. Denn während seiner Ermittlungen über Nicks Tod erlebt der Protagonist auch immer wieder regelrecht paranoide Sequenzen in seiner Gedankenwelt, die nicht nur stilistisch an bestimmte Spielszenen aus "Alan Wake" oder in einer labyrinthartigen Struktur mitunter auch an die sich scheinbar ewig fortsetzenden Räume in "Silent Hill" erinnern. Parallel zur Aufklärung von Nicks Tod, im Rahmen dessen Sam später auch selbst unter Mordverdacht an einem anderen Bewohner steht, wird "Twin Mirror" zudem zu einem Krimi, wodurch Spannung und Interesse vom Anfang bis zum Ende garantiert sind. Ziemlich clever streut DONTNOD zudem Erinnerungssequenzen ein, die ihr meist optional an den levelbasierten Schauplätzen aktiviert. So erinnert sich Sam unter anderem an ein gemeinsames Angelerlebnis mit Nick und dessen Tochter, die nicht nur ihm, sondern auch den anderen Figuren unaufdringlich eine grössere Tiefe geben.

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