Wolfenstein 2: The New Colossus - Test

Ein brachialer Leberhaken direkt ins Kreuz

Test Video Michael getestet auf PlayStation 4

Mehr Spass, weniger Persönlichkeit

Was das „Wolfenstein“-Semi-Reboot von 2014 so fantastisch machte, war dass es immer wieder eine Schippe oben drauflegt. Mit einem Kampf-Roboter durch ein Gefangenenlager marodieren! Yeah! Sich begleitet von Dubstep-Mucke an einer Burgmauer hocharbeiten! Wahnsinn! Das gilt auch in „The New Colossus“. Man schwingt sich auf einen feuerspeienden Panzerhund und sprintet durch die Strassen New Orleans' und dessen Untergrundtunnel. Man sprengt ganz Roswell mit einer Nuklearwaffe in die Luft, ballert sich vom Heck zur Front eines Raketenzuges durch. Ja, BJ wird sogar bei einer öffentlichen Zeremonie auf den Stufen des Lincoln Memorial enthauptet. Wirklich! Das ist aber nicht schlimm. Schliesslich hat der alte Körper eh nicht mehr mitgespielt und ein neuer und besserer liegt schon bereit. Aber die Krönung ist sicherlich die Begegnung mit Adolf Hitler – in der eingedeutschten Fassung „Der Kanzler“ – , der BJ für einen Propagandafilm castet. Dabei ist diese Szene so schräg wie auch verstörend und zwiespältig. Gezeigt wird der Ober-Nazi nämlich als von Parkinson, Demenz und anderen Krankheiten gezeichneter Greis, der in einen Eimer pinkelt und auf den Teppich kotzt – oder BJ wegen seinen verschwitzten Händen erschiesst. Er ist hier kein ideologisch verbrämter Bösewicht, sondern ein schon fast bemitleidenswerter Irrer. Das dürfte noch für einige Debatten und Diskussionen sorgen.

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Aber auch die fantastisch überzeichneten Charaktere und persönlichen Geschichten waren essentiell für „Wolfenstein: The New Order“. Daher durchschneiden auch hier immer wieder weitläufige Zwischen- und Storysequenzen die krassen Shooter-Passagen, um die Handlung voranzubringen. Die sind allesamt locker erzählt und mit überraschend melancholischen Momenten und manch ernster Note durchzogen – um mal kurz zum Nachdenken und zum Tränchen-Wegwischen einzuladen. Man taucht dabei in BJs nicht gerade sonnige Kindheit ein. Man lacht darüber, wie die Widerständler den Geburtstag des Nazi-Killers feiern oder lauscht einem alkoholgetränkten Streit darüber, was Rassismus in einer Welt zu bedeuten hat, in der die Nazis herrschen. Ja, ja, das sind vielfach Klischeethemen aber sie werden immerhin pointiert angegangen. Wobei viele der neuen Charaktere leider weniger scharf gezeichnet sind als im Vorgänger. Norman Caldwell ist beispielsweise der allzu typische verwirrt-zerstreute Verschwörungstheoretiker und Grace Walker die taff-mutige Afro-Widerstandskämpferin. Hier hätte es durchaus etwas vielschichtiger sein können. Aber die Figuren funktionieren und machen Spass. Stark im Gedächtnis bleiben aber dennoch zuvorderst die Albernheiten und Scherze.

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