Road 96: Mile 0 - Test / Review

Ist Faschismus etwa schlecht?

Test Video Joel Kogler getestet auf Xbox Series X/S

Nach dem Erfolg des Indie-Spiels "Road 96" im letzten Jahr kehren wir erneut zurück in den fiktiven Staat Petria, dieses Mal in Form eines Prequels mit dem Namen "Road 96: Mile 0". Erzählt wird die Geschichte von Zoe, einer der ersten Figuren, die ihr im Vorgänger trefft. Die Geschichte ist dieses Mal deutlich linearer und wird statt mit schrägen Minispielen von künstlerisch inszenierten, interaktiven Musikvideos zusammengehalten. Beim Test zum Vorgänger hatten wir uns etwas mehr Tiefgang gewünscht, da das Thema der Diktatur doch eher eindimensional behandelt wurde. Ob der Nachfolger das besser schafft, erfahrt ihr nachfolgend.

Eine Nation am Limit

Egal ob ihr den Vorgänger gespielt habt oder nicht: Ihr werdet euch in "Road 96: Mile 0" schnell zurechtfinden. Ihr schlüpft zunächst in die Haut von Zoe Mueller, Tochter eines hochrangigen Beamten in der fiktiven Diktatur Petria. Ihr bester Freund Kaito gehört zu einer Arbeiterfamilie und rebelliert mit Zoe gegen den Status quo. Das beginnt zwar mit einfachen Streichen und Graffiti, wird aber dann gefährlich, als die beiden Hobby-Rebellen an die Schwarzen Brigaden geraten. Diese Terror-Organisation wird unter anderem für einen Anschlag verantwortlich gemacht, bei dem Zoe selbst fast ums Leben kam.

Die Geschichte von "Road 96: Mile 0" steht im Zentrum, denn durch eure Handlungen und Auswahl in Dialogen bestimmt ihr den Verlauf der Geschichte ein Stück weit mit. Eines doch vorweg: So dynamisch und spontan, wie sich der Roguelike-Ansatz im Vorgänger noch beim ersten Spieldurchgang anfühlte, wird dieses Spiel zu keinem Zeitpunkt. Das liegt bestimmt auch daran, dass Start- und Endpunkt der Figuren bereits durch die danach folgende Geschichte festgelegt sind. Für die erste Hälfte schlüpft ihr in die Haut von Zoe und müsst euch entscheiden, ob ihr euch gegen das Regime in der Luxus-Oase White Sands stellt oder aber hofft, die Diktatur Stück für Stück von innen zu ändern. Das klingt auf dem Papier spannend, äussert sich aber spielerisch darin, dass ihr wählt, ob ihr mit Graffiti den Status quo unterstützt oder lieber Propaganda-Poster verunstaltet. Noch flacher wird es, wenn ihr mit der herablassenden Sklavenarbeit von Kaitos Eltern konfrontiert werdet, wo ihr euch dann entweder für sie einsetzt oder aber ihnen einredet, dass die Diktatur so schlecht ja doch nicht sein kann.

Screenshot

Irgendwo tief im Sumpf aus Faschismus-Klischees vergraben liegt hier ein interessanter Konflikt. Wie schon der Vorgänger schafft es "Road 96: Mile 0" aber nicht, dies auch für eine erwachsene Zielgruppe interessant zu erzählen. Grauzonen gibt es hier fast gar nicht, stattdessen wählen wir, ob wir blind Polizeigewalt und Ausbeutung gutheissen oder eben nicht.

Spannender wird es da ab der zweiten Spielhälfte, wo wir dann in die Haut der neuen Figur Kaito schlüpfen. Anstatt hin und her gerissen zu sein, ob Faschismus eigentlich doch ganz nett ist, schwankt Kaito zwischen seinen Sympathien für die radikalen schwarzen Brigaden und seiner Sorge um die eigene Familie. Hier geht es nicht darum, ob die Diktatur böse ist oder nicht, sondern, ob und wie radikal man dagegen kämpfen soll. Kaitos Entscheidungen gegen Ende des Spiels sind die einzigen, die uns wirklich stocken liessen und bei denen es für beide Seiten gute Argumente gibt.

Screenshot

Der politische Kommentar, der klar auch an die politische Situation in den USA angelehnt ist, verfehlt sein Ziel zwar grosszügig, gute Momente bietet die Geschichte aber trotzdem. Wie schon im Vorgänger liegt die Stärke in den Dialogen und Beziehungen zwischen den verschiedenen überzeichneten Figuren. Egal ob es der glücklose Bodyguard Adam ist, der doch eigentlich nur seiner Liebsten die unsterbliche Liebe gestehen will, oder der schräge, verzogene Sohn des Diktators: "Road 96: Mile 0" überrascht immer wieder mit charmanten und lustigen Charaktermomenten.

Kommentare

Road 96: Mile 0 Artikel