Sherlock Holmes Chapter One - Test / Review

Krimi mit psychologischem Tiefgang

Test Video Joel Kogler getestet auf Xbox Series X/S

Ein Mord an allen Ecken

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Dem Mysterium rund um Sherlocks Kindheit stehen aber immer wieder Hindernisse im Weg, denn egal wo ihr auf Cordona hingeht oder mit wem ihr reden wollt, es führt fast immer zu einem Mordfall, den es zu lösen gilt. Ganz klassisch für Sherlock-Holmes-Geschichten scheint die Lösung zunächst zum Greifen nah, wird aber mit immer mehr Hinweisen zunehmend komplexer. Die Geschichten und Szenarien dieser Fälle sind ausserordentlich abwechslungsreich und spannend erzählt. So verschlägt es euch beispielsweise auf eine spektakuläre Jagd nach einem Elefanten, dem einzigen Zeugen des Mordes, oder aber ihr geht einem Kunstdiebstahl nach, bei dem der Teufel selbst involviert zu sein scheint. Habt ihr genügend Hinweise gefunden, könnt ihr den Fall lösen. Hier erhaltet ihr, im Gegensatz zum Rest des Spiels, die Freiheit zu entscheiden, wie genau ihr den Fall auflösen wollt. Oft gibt es mehrere Verdächtige mit Motiv und ohne Alibi, und bei manchen Fällen könnt ihr die Verdächtigen sogar gehen lassen, wenn ihr findet, dass ihre Verbrechen gerechtfertigt waren. Jeder Fall bietet zwischen vier und acht Lösungen, die euren moralischen Kompass auf die Probe stellen und zum Denken anregen. Spielerisch hat die Entscheidung jedoch kaum Auswirkungen. Es gibt einige Dialogzeilen am Ende des Falls zu eurer Entscheidung, und später im Spiel könnt ihr in der lokalen Zeitung dazu etwas lesen. Es geht hier weniger um eine Belohnung im spielerischen Sinn, sondern um das Lösen des Falls selbst und das Gefühl, nicht ganz sicher zu sein, was jetzt die moralisch richtige Entscheidung ist.

Krimibuch zum Selberlösen

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Tatsächlich gibt es nur wenige Elemente in "Sherlock Holmes Chapter One", die man in einem Videospiel vermuten würde. Das Lösen der Fälle ist sehr vielseitig und gliedert sich in verschiedene kleinere Aufgaben. Mal müsst ihr einen Schauplatz untersuchen oder euch verkleiden, um bestimmte Personen zu befragen. Oder ihr stöbert in verschiedenen Archiven nach Hinweisen aus der Vergangenheit. Was ihr wann machen müsst und sollt, ist aber meist klar vorgegeben. Nur selten dürft ihr überhaupt entscheiden, welchem Hinweis ihr als Nächstes nachgeht, und scheitern könnt ihr bei den Aufgaben und Fällen fast nie. Stattdessen gibt es bei wiederholtem Fehlschlag bei einer Aufgabe einen negativen Eintrag in Jons Notizbuch, wo ihr nachlesen könnt, was er über euch als Ermittler denkt. Spielerisch hat das zwar keinen Einfluss, unseren Stolz aber durchaus verletzt. "Sherlock Holmes Chapter One" ist also nahezu komplett linear, ohne eine Möglichkeit das Spiel zu verlieren. Kann sowas denn überhaupt Spass machen? Die Antwort, jedenfalls in unserem Test, war ja, absolut. Die Geschichten, die Dialoge und die Mysterien motivieren auch ganz ohne Game Over und Belohnungsspirale. "Sherlock Holmes Chapter One" ist ein geistiger Nachfahre klassischer Point-&-Click-Adventures und bietet eine lineare Geschichte, die ihr durch das Lösen kleinerer und grösserer Rätsel immer weiter vorantreibt.

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Wie eingangs erwähnt, tritt das Spiel jedoch auch die Nachfolge von "The Sinking City" an und bietet ebenfalls eine offene Welt und actionreichere Passagen mit Schussgefechten. Man hat sich hier aber deutlich mehr zurückgehalten als noch im ambitionierten Lovecraft-Abenteuer. Abseits des Hauptweges gibt es nur eine Handvoll kürzerer, simplerer Fälle zu entdecken. Sammelbare Gegenstände und Ausrüstung sind so nicht vorhanden. Ihr könnt zwar in den Läden Cordonas verschiedene Verkleidungen für Sherlock erwerben und Stück für Stück die Möbel des Holmes-Anwesens zurückkaufen, es gibt aber kaum einen Grund, jeden Winkel der Karte ausserhalb der Fälle zu erkunden. Das ist auch gar nicht unbedingt nötig. Die offene Spielwelt wird dadurch eher zur Theaterbühne für die verschiedenen Fälle, ohne dass ihr von Sammelaufgaben oder belanglosen Gesprächen mit Passanten abgelenkt werdet. Es bleibt fraglich, ob es dann überhaupt eine offene Spielwelt gebraucht hätte. Die Spaziergänge zwischen Tatorten bieten aber gerade genug Zeit, um über die Lösung des letzten Rätsels nachzudenken. Nein, notwendig war die grosse Spielwelt nicht, sie stört aber auch nicht wirklich - zumindest wenn man die Schnellreisepunkte nutzt.

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