Morbius - Kino-Special

Sonys Superhelden-Identitätskrise

Artikel Video Joel Kogler

Ein Antiheld ohne Makel

Anstatt den Film wie schon etliche Kritiken vor dieser im Detail zu zerlegen, möchten wir an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, uns anzusehen, warum "Venom" und die Marvel-Filme funktionieren und "Morbius" trotz oberflächlicher Ähnlichkeiten versagt. Der wichtigste Punkt, an dem viele Superhelden-Filme scheitern, ist die Atmosphäre. Marvel fährt hier eine klare Linie: Strahlende Helden mit kleineren Makeln, die stets familienfreundlich Sprüche klopfen und am Ende des Films oder der Filmreihe über alles Böse triumphieren. Schwierige Themen und Gesellschaftskritik, die in den Comics durchaus oft wichtig sind, kommen hier bestenfalls am Rande vor, genau wie physische oder psychische Gewalt. DC versucht seit geraumer Zeit, sich dadurch abzugrenzen, dass seine Superhelden in einer düstereren, realistischeren Welt leben. Insbesondere Filme wie "Joker" und "Batman" richten sich dabei an erwachsene Fans statt an die ganze Familie. "Batman v Superman" und "Justice League" zeigen aber auch, dass diese Balance oft schwer zu halten ist.

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Sony ging mit "Venom" ähnliche Wege und stellte einen Antihelden ins Zentrum. Der Film war nicht nur visuell dunkler, sondern drehte sich primär um den Kampf zwischen Eddy Brock und dem Parasiten Venom, der seinen Körper befällt und sich von Menschen ernährt. Der Film war zwar bei den Actionszenen immer noch recht zahm, strebte aber trotzdem eine erwachsenere Atmosphäre an. Die ersten Minuten von "Morbius" zeigen das genau gleiche Muster: eine düstere, realistischere Handlung mit einem Protagonisten im Konflikt mit sich selbst. Früh verliert Morbius die Kontrolle und schlachtet ein ganzes Boot in einem Anfall von vampirischem Bluthunger ab. Blut fliesst dabei zwar keines - man will ja schon noch Teenager mit ansprechen. Man grenzt sich aber trotzdem klar vom bunten Marvel-Image ab. Dann fällt der Film aber schnell auseinander, denn offenbar fand man, dass Morbius als Antiheld zu verstörend sein könnte, und erklärt ohne auch nur die Mundwinkel zu verziehen, dass die getöteten Söldner auf dem Boot ohnehin alles schlechte Menschen waren, deren Tod eigentlich niemanden interessiert. Nach diesem ersten Zwischenfall beschliesst Morbius, sich nur noch von künstlichem Blut zu ernähren, und umgeht so komplett die moralische Zwickmühle, die seinen Charakter spannend macht. Der Bösewicht ist nur deshalb der Bösewicht, weil er ohne Hemmung menschliches Blut trinkt - ein Schicksal, das auch Morbius selbst irgendwann bevorsteht, da das künstliche Blut seine Wirkung verliert. Anstatt aber darauf einzugehen, was es heisst, wenn das eigene Überleben vom Tod anderer abhängt, beschränkt man sich hier im Finale darauf, einander Fledermäuse an den Kopf zu werfen.

Fehlplatzierter Humor und grausige Geschichte

Was dem Ganzen noch die Krone aufsetzt, sind die Witze, die Morbius immer wieder in den unpassendsten Situationen loslässt und es unmöglich machen, Sympathie für diese Figur zu empfinden. Aber Moment: Hatte Eddy Brock in "Venom" nicht ebenfalls ein loses Mundwerk und trug so massgeblich zum Unterhaltungswert des Filmes bei? Ja, bei der Charakterisierung von Morbius hat man sich ganz offensichtlich gedacht, man übernimmt einfach Tom Hardys Eddy Brock und stellt Jared Leto mit Vampir-Makeup hin. Was aber bei "Venom" noch dank der Dynamik zwischen Venom und Eddy Brock funktionierte, scheitert in "Morbius" kläglich. Ohne die innere Stimme des Symbioten, der die schnellen Wechsel der Persönlichkeit erklärt, wirkt Michael Morbius nur inkonsistent. In einem Moment lamentiert er seine Situation und will sich das Leben nehmen, in der nächsten Szene reisst er Witze darüber, dass er ein Vampir ist. Dass Jared Leto dabei nicht annähernd das Charisma von Tom Hardy erreicht, hilft natürlich auch nicht.

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Abschliessend verbleibt "Morbius" vor allem als Beispiel dafür, was passiert, wenn ein Film ausschliesslich aus Geldgier produziert wird. Man hat sich hier nicht für die Figur von Michael Morbius interessiert, sondern nur dafür, den Erfolg von "Venom" zu kopieren und auf dem Erfolg von "Spider-Man: No Way Home" mitzureiten, deren Titel man stolz auf die Filmplakate packt. Die besten Superhelden-Filme von Marvel haben nicht nur visuell, sondern auch erzählerisch eine gewisse Vision, eine Idee, die im Zentrum steht und auf die immer wieder Bezug genommen wird. Wer "Mobius" schaut, hat keine Zweifel; eine Vision gab es hier nie. Man bedient sich wahllos an Superhelden-Klischees und erschafft einen der ödesten Superhelden-Filme seit "Fant4stic". Selbst umstrittene Filme im Genre wie "Justice League" oder "Suicide Squad" bieten bessere Unterhaltung, da dort jemand mit Leidenschaft hinter der Kamera sass.

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