Streaming & Serien zum Jahreswechsel - Special

Geld macht nicht unbedingt glücklich, zu viel Geld aber so gut wie nie

Artikel Video Steffen Haubner

Dass Geld nicht unbedingt glücklich macht, zu viel Geld aber so gut wie nie, beweisen unsere aktuellen Serien-Highlights.

Tarantino aus Marzipan

Das Richtige für die Feiertage: Schön gefühlig, viel Tragik und für den wohligen Grusel ein kleines bisschen Grausamkeit. An "Alles Licht, das wir nicht sehen" scheiden sich die Geister: Die einen feiern die Miniserie nach dem 2014 erschienenen hochdekorierten Bestseller von Anthony Doerr. Die anderen sind der Meinung, dass es sich bei bestimmten Themen schlicht verbietet, sie für die Primetime-Unterhaltung zu benutzen. Das Elend, das hier gezeigt wird, nämlich das der nordfranzösischen, von den Deutschen besetzten Stadt Saint-Malo, wird von den Produzenten in einen märchenhaften Lichterzuckerguss getaucht, der das alles ganz wunderbar aussehen, zugleich aber vollkommen unglaubwürdig erscheinen lässt. Märchenhaft ist auch die Geschichte des blinden Mädchens Marie (Aria Mia Loberti), das nachts einsam am Radio sitzt und den Alliierten mittels verschlüsselter Botschaften verrät, wo sich die Besatzer verschanzt haben. Ihr Vater (Mark Ruffalo) und ihr Onkel (Hugh Laurie) haben anderes zu tun, während der zur Rettung nahende Prinz (Louis Hoffmann) und der Erzbösewicht, gespielt von Lars Eidinger, auf der Suche nach ihr sind. Dass seit "Inglourious Bastards" jeder Nazi als ein Abziehbild von Christoph Waltz‘ Hans Landa daherkommen muss, nervt schon - zumal es in "Alles Licht, das wir nicht sehen" gleich noch einen von dieser Sorte gibt.

Da fällt auch kaum noch ins Gewicht, dass der Oberschurke ernsthaft unter dem Namen "Reinhold von Rumpel" unterwegs ist. Viele kleine Ungereimtheiten wie etwa Gefangene, die nicht in der Lage sind, Scheunentor-grosse Fluchtmöglichkeiten zu nutzen, machen es nicht besser. Und warum lässt der Onkel die arme Marie fast verhungern, um nicht ihr Versteck zu verraten, während sie selbst ohne Augenlicht später völlig unbehelligt durch die Strassen spazieren kann? Zudem wird überall, insbesondere bei der Musik, operettenhaft dick aufgetragen. Klar, das alles ist sehr gut und professionell gemacht, aber oft auch hart am Rande des Kitsches, wenn nicht darüber hinaus. Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier viel zu viel Geld verpulvert wurde und weniger mehr gewesen wäre. Damit soll keineswegs gesagt sein, dass das von vorn bis hinten auf Überwältigung angelegte Breitwandspektakel nicht unterhaltsam wäre. Die vier Folgen lassen sich an einem tristen Herbstabend locker wegbingen, und man kann dabei genüsslich die eine oder andere Träne verdrücken. Bleibt die Frage, ob man die realen historischen Ereignisse für so etwas instrumentalisieren darf. Fürs Familienkino ist das Ganze trotz der Weihnachtsoptik jedenfalls zu brutal, und am Ende fühlt man sich ein bisschen so, als hätte man am ersten Advent mal wieder zu viel Marzipan in sich reingestopft.

"Alles Licht, das wir nicht sehen" (USA 2023), gestreamt auf Netflix

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