Wolfenstein 2: The New Colossus - Test

Ein brachialer Leberhaken direkt ins Kreuz

Test Video Michael getestet auf PlayStation 4

Fanatischer Klamauk

„Wolfenstein 2: The New Colossus“ nimmt sich noch einen Zacken weniger ernst als der Vorgänger und dreht gerne mal an der Slap-Stick- und Gag-Kurbel. Immer wieder gibt’s Schmunzelpotential. Sei es Max Hass, der einen Pulli mit Bambi-Motiv trägt, der mit seiner Cyber-Prothese hadernde Fergus oder Naziwachen, die sich lautstark über Schokolade streiten. Allem voran haben es die Entwickler von Machine Games geschafft, eine bizarre und faszinierende Parallel-Popkultur aufzuziehen, die einem in den Kulissen und Zwischensequenzen immer wieder subtil entgegen schwappt. Statt den The Beatles sind Die Käfer die angesagteste Band der Welt. Nicht die Colliehündin Lassie, sondern der Panzerhund Liesl lockt die Kids vor die TV-Schirme und in den Strassen Roswells fragen Nazis einzelne Ku-Klux-Klan-Mitglieder vor einem Klasse-Spielzeug-Laden, wer der erste Germane auf dem Mond war. Überall zeigen sich Propaganda-Plakate für Kampfeinheiten und Produkte wie Super-Bier und Proteinriegel. Das ist sowohl absurd und witzig als auch in einigen Situationen ziemlich düster. Es sorgt für eine dichte Atmosphäre und überzeugend lebendige Welt. Die Nazis werden dadurch nicht nur als „das Böse“ porträtiert, sondern auch als kulturelle und gesellschaftliche Assimilationsmaschinerie.

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Es wäre sicherlich zu viel der Intellektualisierung, in „Wolfenstein 2“ ein aufrichtiges Statement gegen die Alt-Right-Bewegung in den USA oder den politischen Rechtsruck in Europa zu sehen. Aber dennoch lässt „The New Colossus“ einige interessante Gedankensplitter fallen. So macht BJs Vater seine jüdische Frau und seinen weltoffenen Sohn, der sich mit einer afroamerikanischen Freundin trifft, für das Scheitern seiner Karriere verantwortlich. Dass die USA schon vor der Invasion mit rechten Gruppen durchsetzt waren, half dem deutschen Reich in der „Wolfenstein“-Welt, die Nation recht einfach zu unterjochen und zu integrieren. Aber sonst ist das braune Pack hier mit seinen High-Tech-Arsenal zuvorderst eine satirische Inkarnation des nationalsozialistischen Grössenwahns. „Wolfenstein 2“ zeigt also eine Karikatur dessen, wie sich die Faschisten gerne sehen würden. Das trifft offenbar auch einen Nerv wie Proteste im Netz gegen das Game zeigen. Das macht „The New Colossus“ nicht zu einem politischen Videospiel. Allerdings macht's das Ballern für Frieden und Freiheit durchaus noch ein Stück befriedigender.

Fazit

Ja, Maschine Games hat bei „Wolfenstein 2: The New Colossus“ alles getan, um den Vorgänger nochmal richtig zu toppen. Mehr Umfang, mehr Geballer, mehr Gewalt, mehr Krawall, mehr Epos, mehr Kulissen und mehr absurder Irrsinn. Das ist vielfach beeindruckend und über weite Strecken grandios. „The New Colossus“ ist verdammt intensiv und einfach ein herrlich stringenter Old-School-Ego-Shooter, der den Balanceakt zwischen Düsterdystopie und Spassmacherquatsch galant meistert. Allerdings wollten die Entwickler wohl auch etwas zu viel. All die unterschiedliche Szenerien, Fähigkeiten und Waffen-Anpassungsmöglichkeiten brüllen einem „echter Nachfolger“ entgegen aber verwässern auch die simple Eleganz, die „The New Order“ so fantastisch macht. Aber das ist Gemecker auf hohem Niveau. Denn ohne Zweifel ist „The New Colossus“ einer der besten Ego-Shooter dieses Jahres – und mit ziemlicher Sicherheit der beste Story-Shooter seit langem.

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