Auch mit seinem Sci-Fi-Fantasy-Sequel bleibt Entwickler Piranha Bytes seinen Wurzeln treu und liefert trotz mancher Hakeligkeit ein enorm atmosphärisches Abenteuer ab. Weshalb Piranha-Fans unbedingt zugreifen sollten und was RPG-Freunden leicht die Suppe versalzen kann, erfahrt ihr im Test.
Spiele fesseln uns nicht erst, wenn jede Spielmechanik perfekt funktioniert oder die Grafik in jedem Aspekt die Bezeichnung "State of the Art" rechtfertigt. Ja nicht einmal die Kernstory muss zwingend den allerhöchsten Ansprüchen genügen, das müssen wir Spielern von RPG-Schwergewichten wie "The Elder Scrolls V: Skyrim" nicht erklären. Auch die Rollenspiele des Essener Entwicklerstudios Piranha Bytes hatten stets einige Ecken und Kanten, an denen man sich stossen konnte. Doch als Gesamterlebnis zählen sie nicht nur unter den Fans von "Gothic" oder "Risen" zu den intensivsten RPG-Erlebnissen überhaupt. Nachdem der erste Teil des Sci-Fi-Fantasy-Rollenspiels "ELEX" vor rund fünf Jahren ein paar Ecken und Kanten zu viel hatte, meldet sich das kleine Team aus dem Ruhrpott nun mit "ELEX II" zurück und liefert damit nicht weniger als sein bestes Werk seit "Gothic II" ab.
Erst entsetzt, dann begeistert
Zu Beginn von "ELEX II" schwante uns noch Böses. Selbst als Kenner kann man der Story-Zusammenfassung zum Vorgänger im Intro nur zum Teil folgen, was zugegebenermassen jedoch primär daran liegt, dass uns die Rahmenhandlung in "ELEX" schon damals nur in Ansätzen abholen konnte. Nach einer eher grobschlächtig animierten Cutscene, in der Hauptfigur Jax von rätselhaften Alienwesen namens Skyands überfallen wird, um irgendwie zu erklären, weshalb er wieder mal all seine Fertigkeiten verliert und bei null anfangen muss, wird es zunächst nicht besser. Jax trifft auf den ehemaligen Oberalb, den er am Ende des ersten Teils besiegte und der ihm nun seine Hilfe im Kampf gegen die drohende Invasion und die durch einen Biss verursachte Infektion anbietet. Zu allem Überfluss landen in den ersten 20 bis 30 Spielminuten primär Quests im Log, für die ihr mit einigen der Anführer in den (selbstredend noch nicht entdeckten) Lagern sprechen müsst. Das ist zwar nicht so ziellos wie die Finde-Xardas-Quest in "Gothic 3", und doch hat uns dieser Einstieg derart entsetzt, dass wir "ELEX II" beim rein privaten Spielen womöglich erst mal zur Seite gelegt hätten.
Glücklicherweise haben wir es nicht getan! Denn das Entsetzen legte sich schnell, als wir ins Fort der Berserker aufbrachen - ihr selbst könnt theoretisch auch mit jedem anderen Hauptlager der insgesamt fünf Fraktionen beginnen. Eingenommen haben uns dabei auch die überraschend wunderschöne postapokalyptische Welt und deren bisweilen geniale Architektur. Ganz besonders begeistert hat uns die Quest-Struktur, die äusserst clever die Welt, die Fraktionen und damit auch die einzelnen Handlungsstränge vernetzt und uns dabei dennoch ein Ausmass an Freiheit lässt, von dem sich die meisten anderen Rollenspiele eine dicke Scheibe abschneiden können. Doch der Reihe nach.