Das Gericht der Erdgeister
Der Erde und ihren Bewohnern würde es besser gehen, wenn es den Menschen nicht gäbe. Diese für unsere Spezies erschütternde Erkenntnis dürfte kaum noch jemand in Zweifel ziehen. Zugleich hat uns die COVID-Pandemie gezeigt, dass wir gar nicht so fest im Sattel sitzen, wie wir denken. Ein für uns unsichtbares Wesen, das sich nach biologischer Definition noch nicht einmal Lebewesen nennen darf, bringt mal eben den scheinbar alles beherrschenden Homo sapiens ins Wanken. Wie wäre es wohl, wenn die Erde selbst über ihr Schicksal entscheiden könnte? Würde sie uns einfach abschütteln wie lästige Insekten? Diese Frage stellte sich der japanische Künstler Eldo Yoshimizu und verarbeitete seine Gedanken in dem Manga "Hen Kai Pan". Der Begriff ist aus der Lehre des Kosmotheismus entlehnt und bedeutet so viel wir "Ein und Alles".
Dass Mangas Kunst sind, sollte kaum noch jemand bezweifeln, doch es ist noch einmal etwas anderes, wenn ein Künstler Mangas macht. Yoshimizu, 1965 in Tokio geboren, hatte sich international einen Namen als Bildhauer gemacht, bevor er sich dem Gekiga-Manga zuwandte, wie der Verlag schreibt, "um sich dem Zusammenspiel von Objekt und Raum in der Kunst des Geschichtenerzählens zu widmen". Rein begrifflich verhalten sich Gekigas zu populären Mangas wie Graphic Novels zu Comics. Ob man diesen Unterschied zwischen E- und U-Manga machen möchte, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. "Hen Kai Pan" jedenfalls entzieht sich allen Kategorisierungen. Die Erzählung mündet immer wieder in fast meditativ wirkende Panels, die dem Ausdruck klar Vorrang vor dem Inhalt geben. Die Geister der Erde beraten über die Bestrafung der Menschheit und ihre Zukunft. Ein meditatives Werk, das man immer wieder zur Hand nimmt und das ebenso anklagend wie tröstlich wirkt.
Eldo Yoshimizu: "Hen Kai Pan" (Carlsen Manga)